Uwe Mundlos schrieb für Nazi-Magazin: Rechtschreibfehler verrieten ihn
Das NSU-Mitglied soll für das Nazi-Heft eines Zwickauer Spitzels geschrieben haben. Medienfeindlich waren seine Texte. Und voller Fehler.
Von 1992 bis 2002 führte Kaldrack, so sein Dienstname, einen der umstrittensten V-Leute des Bundesverfassungsschutzes: den Zwickauer Ralf Marschner. Der war eine Neonazigröße, Rechtsrocksänger und Betreiber eines Szeneladens. Auch leitete er eine Baufirma. Dort soll Marschner laut zwei Zeugen, einen Mitarbeiter und einen Bauleiter, Anfang der nuller Jahre auch das NSU-Mitglied Uwe Mundlos beschäftigt haben – während dessen Untergrundzeit.
Der Verfassungsschutz weist eine Anstellung bisher zurück: Dafür gebe es „keine Anhaltspunkte“. Auch Marschner behauptet, das Trio nie gekannt zu haben.
Wirklich nicht? Ein bisher nicht beachtetes Neonazi-Magazin, das der taz vorliegt, nährt daran erneut Zweifel. „Voice of Zwickau“ heißt es, Macher war Marschner. Interessant ist eine Ausgabe vom November 1997: Dort geht es um Szenebands namens „Aryan“ oder „Sturmtrupp“, auf Fotos sieht man Logos des militanten Netzwerks „Blood&Honour“. Ein Artikel will sich auch Gesellschaftskritik widmen. „Pressefreiheit, das Recht zu lügen…?“, ist er überschrieben. Von „multikulturellem Schwachsinn“ schreibt der namenlose Autor, und dem Glauben der Leute an „alles, was sie in Presse und Rundfunk vorgesetzt bekommen“.
Auffällige Pronomenfehler
Dieser Text beschäftigte auch den Verfassungsschutz bereits im Juni 2012. Markante Rechtschreibfehler wiesen auf einen bestimmten Autor hin, schlussfolgerte der Geheimdienst damals: Uwe Mundlos. Tatsächlich häufen sich in dem Artikel Konjunktionen- und Pronomenfehler.
Das schafft eine brisante Verbindung: Ein Text von Mundlos in einer Broschüre von Marschner – und der V-Mann will den späteren NSU-Terroristen nicht gekannt haben? Diese Aussage wird immer fragwürdiger.
Zumal der Verfassungsschutz seine Erkenntnis dem NSU-Ausschuss erst jetzt vorlegte – vier Jahre später. Und das, obwohl sich bereits bis 2013 ein erster Untersuchungsausschuss im Bundestag mit dem NSU und Marschner beschäftigte. Auch das BKA erhielt den Hinweis offenbar nicht. Als die Ermittler jedenfalls Marschner 2012 und 2013 zum NSU-Trio befragten, hakten sie nicht zur „Voice of Zwickau“ und zu einer möglichen Mundlos-Mitarbeit nach.
Nun ist es Verfassungsschützer Kaldrack, der beantworten muss, was es mit dem Artikel auf sich hat – und ob sein Exspitzel nicht doch näher am NSU-Trio dran war als bisher zugegeben. Jahrelang lebten die Untergetauchten in Zwickau, von dort aus begingen sie ihre zehn Morde.
Dass sich Mundlos auch als Autor betätigte, wäre kein Einzelfall. Im Untergrund soll er auch für das Szeneheft „White Supremacy“ anonym drei Artikel geschrieben haben. Für einen Text bestätigte das auch ein anderer V-Mann. Wer sich nicht „aktiv am Kampf“ beteilige, heißt es dort aufwiegelnd, der unterstütze „alles, was sich gegen unser Volk richtet“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu