Urvölker-Gastkommentar: Sieg im Krieg ums kleine "s"
Die Verabschiedung der UN-Deklaration ist ein historisches Ereignis. Die Staaten akzeptieren, dass es Urvölker gibt, nicht bloß Ureinwohner. Die Beschlüsse bindend zu machen, ist freilich ein Jahrhundertprojekt.
M it historischen Ereignissen ist es so eine Sache. Diese werden meist ebenso schnell wieder vergessen, wie sie proklamiert wurden. Ob es sich mit dem 13. September 2007 ähnlich verhalten wird, wissen wir noch nicht. Der Rat der Sámi (der Ureinwohner Skandinaviens), das Ständige UN-Forum für Ureinwohnerfragen und viele andere, die sich für die Menschenrechte der 300 bis 500 Millionen Angehörigen der indigenen Völker der Erde einsetzen, sind sich jedoch einig: Die Annahme der Erklärung der Rechte der indigenen Völker am vergangenen Donnerstag in New York ist ein Meilenstein auf dem Weg zur weltweiten Anerkennung der Menschenrechte dieses in vielen Ländern immer noch von Vertreibung, Entmündigung, Enteignung und Gewalt bedrohten Teils der Erdbevölkerung.
Das, was die UN-Generalversammlung nach über 22 Jahren Verhandlungen verabschiedet hat, hat es in sich: Die überwältigende Mehrheit der UN-Mitglieder erklärt damit den "Krieg um das kleine 's'", also um die Frage, ob es indigene Völker ("peoples") oder nur indigene Menschen ("people") gibt, für beendet. Auch wenn es auf den ersten Blick wie Haarspalterei wirkt: Völker haben, so erklären es die internationalen Menschenrechtspakte unzweideutig, das Recht auf Selbstbestimmung. Der Theorie folgend könnten nun die UreinwohnerInnen Sibiriens wie auch die Aborigines Australiens frei darüber entscheiden, was mit Vorkommen an Öl, Kohle, Uran oder Gold ihrer Territorien geschehen soll. Zwangsassmiliation, Rassismus und Vertreibung sollten nun ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.
Diese Anerkennung ist vor allem die Frucht des jahrzehntelangen Kampfes indigener Menschenrechtsaktivisten, die sich durch das unvorstellbar langsame Mahlen der Mühlen des UN-Systems ebensowenig entmutigen ließen, wie durch den Umstand, dass die Vereinten Nationen als Club der Staaten den Ureinwohnern allenfalls Plätze am Katzentisch zugestehen.
Seit dem Beginn der Verhandlungen um die Erklärung, Mitte der 80er Jahre, hat sich die weltweite Bewegung indigener Völker in beispielloser Weise globalisiert. Buschleute aus Botswana, Ureinwohner Westpapuas, Grönländische Inuit und Indígenas Lateinamerikas haben über Länder-, Kultur- und Sprachgrenzen hinweg so lange an einem Strang gezogen, bis eine übergroße Mehrheit der Staaten sich genötigt sah, der Deklaration zuzustimmen, um endlich Ruhe zu haben.
Dennoch: Eine Deklaration ist eben nur eine Deklaration. Kein Staat nimmt durch sie mehr als eine moralische Verpflichtung auf sich. Doch moralische Verpflichtungen sind Teil der "soft power", die den Ureinwohnern als fast einzige Waffe zu Gebote steht.
Wirklich messbare Auswirkungen auf konkrete Konflikte zwischen Nationalstaaten und Ureinwohnern sind von der Deklaration jedoch nur in Einzelfällen zu erwarten. Da sie kein Vertrag ist, gibt es kein Überwachungsgremium und folglich auch keine Klagemöglichkeit. Daher muss nun als nächster Schritt die Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Vertrags, einer UN-Konvention über die Rechte der Ureinwohner beginnen. Doch angesichts der Geschichte der Deklaration, ist es fast schon ein zu ambitioniertes Ziel, eine solche Konvention noch im Laufe dieses Jahrhunderts verabschieden zu wollen.
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