Urteile des Europäischen Gerichtshofs: Urlaub ist erblich
Die Witwe eines Arbeitnehmers kann Geld für den noch offenen Urlaub ihres verstorbenen Mannes einklagen. Das entschied jetzt der EuGH.
Im einen Fall starb ein Beschäftigter der Stadt Wuppertal. Seine Witwe forderte als Alleinerbin von der Stadt 5857 Euro als Ausgleich für 25 offene Urlaubstage. Im zweiten Fall ging es um einen Mann, der bei einer Wartungsfirma in Remscheid gearbeitet hatte. Seine Witwe verlangte für 32 nicht genommene Urlaubstage eine Vergütung von 3702 Euro.
In Deutschland war es bis 2014 üblich, dass nicht genommener Urlaub mit dem Tod des Beschäftigten verfiel. Doch schon 2014 entschied der EuGH, dass die Erben in solchen Fällen einen Vergütungsanspruch haben. Dies wollte das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch nicht glauben und legte dem EuGH neue Fälle vor.
Das BAG argumentierte, dass der Urlaub der Erholung des Arbeitnehmers diene und dieser Zweck sei nach dem Tod des Beschäftigten eindeutig nicht mehr erreichbar. Deshalb sei es nur konsequent, wenn der Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers ersatzlos untergehe.
Urlaub kann verfallen
Der EuGH betonte dagegen, dass es in der EU-Arbeitszeit-Richtlinie ein Recht auf „bezahlten Jahresurlaub“ gebe. Neben der Erholung sei eben auch die Bezahlung garantiert. Insofern gehe es auch um einen finanziellen Anspruch, der zum Vermögen des Arbeitnehmers gehöre und nach dessen Tod auf die Erben übergehe. Wenn die deutsche Rechtslage nicht in diesem Sinne ausgelegt werden können, dürfe sie nicht mehr angewandt werden. Das EU-Recht gehe dann vor.
Dies gilt laut EuGH nicht nur bei staatlichen Arbeitgebern wie der Stadt Wuppertal, sondern auch bei Privatunternehmen wie der Wartungsfirma aus Remscheid. Zwar sei die EU-Arbeitszeit-Richtlinie in Streitfällen zwischen zwei privaten Prozessparteien nicht direkt anwendbar. Allerdings enthalte auch die EU-Grundrechtscharta ein „Recht auf bezahlten Jahressurlaub“. Deshalb müssen auch private Arbeitgeber den Erben von gestorbenen Mitarbeitern eine Vergütung für nicht genommene Urlaubstage bezahlen. (Az.: C-570/16 u.a.)
In zwei weiteren Urteilen zum Urlaubsrecht entschied der EuGH am Dienstag, dass Urlaub ohne finanziellen Ausgleich verfällt, wenn ihn der Beschäftigte „aus freien Stücken“ und „in Kenntnis der Konsequenzen“ nicht beantragt. Es wäre ein falscher Anreiz, wenn es für freiwillig nicht genommenen Urlaub einen finanziellen Ausgleich gebe. Der Arbeitnehmer solle sich schließlich im Interesse seiner Gesundheit erholen.
Allerdings muss der Arbeitgeber künftig beweisen, dass er den Mitarbeiter förmlich aufgefordert hat, seinen Jahresurlaub zu nehmen. Dabei muss das Unternehmen den Beschäftigten auch auf die Konsequenz aufmerksam machen, dass sein Urlaubsanspruch sonst ersatzlos entfällt. Dies war im deutschen Recht bisher nicht vorgesehen. (Az.: C-684/16 u.a.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld