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Urteil zur ReligionsfreiheitDienstuniform und Kette mit Kreuz

Der Gerichtshof für Menschenrechte stärkt Religionsfreiheit von Christen am Arbeitsplatz: Das Kreuz über der Arbeitskleidung muss der Arbeitgeber ertragen.

Darf in der Regel während der Arbeit sichtbar getragen werden: das Kruzifix. Bild: dapd

WOLFSBURG taz | Arbeitgeber dürfen ihren Beschäftigten in der Regel nicht verbieten, ein sichtbares Kreuz bei der Arbeit zu tragen. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem britischen Fall. Christen dürfen bei der Arbeit aber nicht Homosexuelle diskriminieren – auch wenn sie das für einen Inhalt ihres Glaubens halten.

Der Straßburger Gerichtshof entschied am Dienstag vier Fälle zur Religionsfreiheit von Christen in Großbritannien. Erfolg hatte die 60-jährige Nadia Eweida, die an einem Check-in-Schalter der Fluggesellschaft BA arbeitete.

Ihr Arbeitgeber verbot ihr zeitweise, über der Dienstuniform ein Kreuz um den Hals zu tragen. Religiöse Symbole und Schmuck störten das Corporate Design der Firma. Sie könne das Kreuz unter der Uniform verstecken. Es gebe keine christliche Pflicht, ein sichtbares Kreuz zu tragen. Britische Gericht bestätigten die Auflage.

Doch der EGMR ließ diese Argumente nicht gelten. In der Abwägung habe die Religionsfreiheit der Christin mehr Gewicht – zumal BA für andere religiöse Symbole wie Turbane und Kopftücher damals Ausnahmen zugelassen hatte.

Gegen BA sprach auch, dass das Kruzifixverbot inzwischen längst wieder aufgehoben wurde. Großbritannien muss Eweida 2.000 Euro Entschädigung zahlen.

In einem anderen Fall wurde ein Kreuzverbot allerdings bestätigt. Der Altenpflegerin Shirley Chaplin wurde von ihren Vorgesetzten aus Sicherheits- und hygienischen Gründen eine Kruzifix-Halskette untersagt. Verwirrte Kranke könnten an der Kette ziehen. Solche Gründe seien geeignet, einen Eingriff in die Religionsfreiheit zu rechtfertigen, so Straßburg.

Gescheitert sind auch zwei Klagen von Christen, die glauben, dass Homosexuelle gegen göttliche Gebote verstoßen. Die Standesbeamtin Lilian Ladele weigerte sich, homosexuelle Paare zu trauen. Der Eheberater und Sexualtherapeut Gary McFarlane wollte keine Homosexuellen beraten.

In beiden Fällen hatte der Arbeitgeber mit Kündigung gedroht, was englische Gerichte und auch der Straßburger Gerichtshof für berechtigt hielten. Religiöse Gründe rechtfertigen nicht, andere Menschen bei der Arbeit zu diskriminieren. Gegen die Urteile sind Rechtsmittel möglich.

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10 Kommentare

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  • L
    lackierteTussi

    Der Sttat ist nicht neutral durch bloßes Unterdrücken von religiösen Symbolen.

     

    In einer Demokratie muß jeder "nach seiner Façon seelig werden dürfen" - auch mit Kreuz oder Kopftuch.

     

    Das gehört zur (nonverbalen) Menungsäußerung.

     

    Einem Birkenstockträger oder Punker sieht man ja auch an, wie er mutmaßlich drauf ist.

  • D
    deix

    Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention genießen auch Weltanschauungen den gleichen Schutz wie Religionen. Nach dieser Logik müsste auch ein Kommunist berechtigt sein seine Weltanschauung durch eine Hammer-Und-Sichel-Anstecknadel am Arbeitsplatz zum Ausdruck bringen. Auch für Atheisten gäbe es schon ein breites Sortiment an passender Arbeitbekleidung:

     

    http://www.shirtcity.at/atheismus-t-shirts?gclid=CKfy983yrbUCFYlb3god5SsAzQ

     

    Tatsächlich scheint ein konsequentes optisches religiöses und weltanschauliches Neutralitätsprinzip die beste nicht diskriminierende Lösung zu sein.Sichtbare Zeichen von Religion und Weltanschauung gehören ins Privatleben und nicht an den Arbeitsplatz!

  • S
    Störtebekker

    Das Kreuz bei Krankenschwestern war sogar in der DDR erlaubt. Warum sollte es in dieser ach so freien Gesellschaft, jetzt anders sein?

    Welcher Rassist ist denn dagegen gewesen?

    Dieser Urteil kann nur so lauten.

  • B
    bull

    Dieser Planet ist nur noch durchgeknallt.Hoffentlich kommt es zum 3.Weltkrieg und diese völlig unnütze Lebensform Mensch verschwindet von diesem Planeten.

  • RM
    Reinhard Moysich

    Auch Fereshta Ludin hätte Kopftuch tragen dürfen!

     

    Das sehr erfreuliche Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit (an den Beispielen Kreuz und Kopftuch) gibt nachträglich der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin Recht, welche früher viele Jahre in Baden-Württemberg vergeblich darum gekämpft hatte, während des Unterrichts ein Kopftuch tragen zu dürfen. Sie hatte glaubhaft versichert, dass es zu ihrer Form des Islam gehört, ein Kopftuch zu tragen.

     

    Aber ihr wurde von den Behörden und Gerichten nicht nur dieses elementare Freiheitsrecht abgesprochen, sondern sie wurde zugleich massiv diskriminiert, indem sogar ausdrücklich christlichen Lehrerinnen erlaubt wurde, ein deutlich sichtbares Kreuz zu tragen.

     

    Ich fordere die neue baden-württembergische Landesregierung auf, sich für das krasse Unrecht der früheren, sich „christlich“ nennenden CDU-Regierung zu entschuldigen, welche sich so völlig entgegengesetzt zur christlichen Nächstenliebe und den Menschenrechten verhalten hatte.

     

    Frau Ludin steht eine öffentliche Wiedergutmachung zu, inklusive finanzieller Entschädigungen!

  • P
    Peter

    Wenn Du mit uns fliegst, muss Gott auf Deiner Seite sein.

     

    Interessant und wie kommt es das der Bundestag eine Kleiderordnung hat und diese durchsetzt?

    SZ, "Für die einen ist es das "überflüssigste Kleidungsstück der Welt", für die anderen geht es um nichts weniger als die Würde des Bundestags:

    Zwei Abgeordnete dürfen nicht als Schriftführer neben dem Bundestagspräsidenten sitzen - weil sie keine Krawatte tragen. "

     

    Eine der Begründung zwischen den Zeilen, Abgeordnete erhalten Kleidergeld und müssen demzufolge auch so auftreten. Ähnliches gibt es im Aussendienst "Nach Art und Ansehen des Unternehmens".

     

    Ergo, ich hänge mir ein ganz großes Kreuz um den Hals und finde das wunderbar. Viel Kreuz, viel Glaube.

    Nun wird es eine neue internationale Bemaßungsrichtlinie, zusätzlich zu Schuh-/Hosengrößen auch Reliquiengrößen durch Gewerkschaften/Betriebsräte für den Arbeitsplatz eingeführt.

    Hier ist eine Lösung für Unternehmen zu verorten. Sie stellen einheitliche heilig blasphemische Reliquien als Berufskleidung her.

    Apropos, können Reliquien als Berufskleidung steuerlich abgesetzt werden?

     

    Ein besseres Urteil wäre wenn die religiöse Gesinnung generell von außen Sichtbar sein muss. Für alle. Diese negative Ausprägung gab es schon.

     

    Religion, Glaube ist reine Privatsache.

    WEB2.0 war damals, heute nennt es sich Wahnsinn2.0, die Juristen vorweg.

  • T
    tim

    @Celsius

     

    was hat ein bekenntnis in non-verbaler form mit einem (womöglich unmöglich unsensiblen) verbalen hinweis in richtung von erst mal fremden menschen auf die eigene weltsicht zu tun?

  • C
    Celsus

    Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes finde ich gut und freue mich, dass so entschieden wurde.

     

    Allerdings müssen diejenigen, die offen ihren Glauben nach außen zeigen auch ertragen, wenn ihnen in höflicher Form Gegenargumente oder andere Überzeugungen entgegengehalten werden.

     

    Gerade religiöse Fundamentalisten mit intoleranter Eintstellung sollten aus der Gesellschaft Kritik an ihrem Verhalten verspüren.

  • N
    Neronimus

    Wenn christliche Symbole am Arbeitsplatz erlaubt sind, müssen auch die Symbole anderer Religionen zugelassen werden.

    Eine andere Sache ist, dass Religion Privatsache ist und deshalb in der Öffentlichkeit d.h. auch am Arbeitsplatz nichts zu suchen hat.

    Das ein solches Urteil zustande kommen konnte hängt sicherlich damit zusammen, dass alle religiösen Gruppierungen ausreichend in allen Gliederungen der europäischen Staaten und der europäischen Gesellschaften vertreten sind. Sie haben deshalb die Möglichkeit das, was ihnen nahe liegt, auch umzusetzen. Dies geschieht zum Nachteil nicht religiöser Gruppen.

  • R
    ralf

    Frieden auf Erden wird es wohl erst geben, wenn die Zurschaustellung von Monotheismus als die Gefahr erkannt wird, die sie wirklich ist. Anosnsten einfach mal Bibel und Koran lesen und die Aufforderungen zu Mord und Gewalt nicht überlesen.