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Urteil zu Neonazi-Partei in Griechenland„Goldene Morgenröte“ ist kriminell

Die neonazistische Partei Chrysi Avgi wird als kriminelle Vereinigung eingestuft. Der Parteigründer und 67 weitere Mitglieder müssen sich wegen Mordes verantworten.

Jubel von Antifaschist*innen nach der Urteilsverkündung in Athen Foto: Socrates Baltagiannis/dpa

Athen afp | Nach einem jahrelangen Mammutprozess hat ein Gericht in Griechenland die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte als kriminelle Vereinigung eingestuft. Das Gericht in Athen sprach Parteigründer Nikolaos Michaloliakos und andere Mitglieder der Parteiführung am Mittwoch der „Führung einer kriminellen Vereinigung“ schuldig. Tausende Menschen vor dem Gerichtsgebäude brachen in Jubel aus.

Der Holocaustleugner und Nazi-Verehrer Michaloliakos stand gemeinsam mit 67 weiteren Angeklagten in dem mehr als fünf Jahre dauernden Verfahren um den Mord an einem linksgerichteten Rapper sowie zwei Mordversuchen und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht. Dem Parteichef und weiteren Mitgliedern der Parteiführung sowie Ex-Parlamentsabgeordneten drohen nun Haftstrafen zwischen 5 und 15 Jahren. Das Strafmaß soll zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden.

Unter den Verurteilten ist auch der im vergangenen Jahr aus der Partei ausgetretene Giannis Lagos, der als fraktionsloser Abgeordneter im Europaparlament sitzt.

Ein Parteimitglied wurde am Mittwoch des Mordes an dem antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas schuldig gesprochen. Der Angeklagte Jorgos Roupakias hatte gestanden, den Musiker 2013 gemeinsam mit anderen verfolgt und erstochen zu haben. Ihm droht lebenslange Haft.

Tausende vor dem Gerichtsgebäude

„Pavlos, du hast gewonnen!“, rief die Mutter des ermordeten Rappers beim Verlassen des Gerichtsgebäudes und reckte die Arme in die Höhe. Sie hatte an den meisten der 453 Sitzungstage des Prozesses teilgenommen.

Schon Stunden vor der Urteilsverkündung hatten sich am Morgen Tausende vor dem Gerichtsgebäude in Athen versammelt. Die Polizei sprach von rund 15.000 Menschen. Am Rande der Versammlung kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, Feuerwerkskörper flogen, die Beamten setzten Tränengas und Wasserwerfer ein.

Goldene Morgenröte, die enge Kontakte zur Neonaziszene unterhält, ist wegen ihrer Angriffe auf Migranten und politische Gegner berüchtigt. Die in den 80er Jahren gegründete Partei hatte im Zusammenhang mit der schweren Wirtschaftskrise in Griechenland ab dem Jahr 2010 an Einfluss gewonnen und war 2012 ins Parlament eingezogen.

Bei der Parlamentswahl 2015 wurde Goldene Morgenröte drittstärkste Kraft. Sei der Wahl im Juli vergangenen Jahres ist sie erstmals seit Jahren nicht mehr im Parlament vertreten.

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2 Kommentare

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  • Chrysi Avgi vertritt einen extremen Nationalismus, ist rigoros gegen Einwanderung und Homosexuelle. Angriffe auf Migranten sind nicht selten. Parteimitglieder sollen Hitlers "Mein Kampf" und die Schriften von Goebbels und Alfred Rosenbergs lesen. Stark zulegen konnte die Partei 2015 während der großen Wirtschaftskrise. Bei der Parlamentswahl im Januar gewann die Partei 6,3 % der Stimmen und somit 17 Sitze im Parlament. Einen deutlichen Rückschlag musste die Partei 2019 bei der Europawahl hinnehmen. Im Juli 2019 scheiterte die Partei bei der nationalen Parlamentswahl an der Drei-Prozent-Hürde.

    Parteigründer ist Nikolaos Michaloliakos, seit 1993 ist die Partei registriert. Eine traurigen Höhepunkt erreichte die rechtsradikale Partei 2013, als der linke Musiker Pavlos Fyssas von einem Chrysi Avgi Mitglied erstochen wurde.

    Aufsehen erregte, daß Der AfD-Spitzenkandidat in Brandenburg und führende Repräsentant des rechtsradikalen Flügels dieser Partei, Andreas Kalbitz, 2007 an einem Neonazi-Aufmarsch in Athen teilgenommen hat. Der Aufmarsch wurde von der griechischen „Patriotischen Allianz“ organisiert, einem rechtsextremen Bündnis um die neonazistische Partei "Goldene Morgenröte" wie Chrysi Avgi auf deutsch heißt.

    Andreas Kalbitz meinte im nachhinein: „In der nachträglichen Bewertung dieser Veranstaltung war diese nicht dazu angetan, mein weiteres Interesse oder Zustimmung zu wecken, weder in der politischen Zielsetzung noch in der Zusammensetzung der Teilnehmer“. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Aussage sind erheblich.

    Ein Athener Gericht verurteilte die Führung und die gesamte Partei Chrysi Avgi zurecht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor kurzem Anfang Oktober dieses Jahres. Es ist zu begrüßen, dass sich der Parteigründer und 67 weitere Mitglieder wegen Mordes verantworten müssen.







    Christian Schauer, Alzenau, 10. Oktober 2020

  • Ein gutes Signal, auch außerhalb Griechenlands