Urteil gegen Putin-Gegner Kara-Mursa: Moralisch verrottet
In Russland ist ein Oppositionspolitiker zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Präsident Putin ist im Kampf gegen das eigene Volk.
![Der Oppsitiospolitiker Wladimir Kara-Mursa im Gerichtssaal Der Oppsitiospolitiker Wladimir Kara-Mursa im Gerichtssaal](https://taz.de/picture/6211884/14/Kara-Mursa-Russland-Opposition-Haft-1.jpeg)
R usslands Justiz hat im Auftrag des Kremls wieder einmal ein Exempel statuiert: 25 Jahre Lagerhaft unter verschärften Bedingungen lautet der Schuldspruch gegen den Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa – unter anderem wegen Verunglimpfung der russischen Armee und Staatsverrats.
Seit dem Beginn von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 sind das die gängigen Paragrafen des Strafgesetzbuches, aufgrund derer unbequeme Zeitgenossen zur Strecke gebracht werden. Das Verdikt gegen Kara-Mursa, der gesundheitlich stark angeschlagen und eigentlich haftunfähig ist, könnte einem Todesurteil gleichkommen. Aber ein Menschenleben mehr oder weniger – was macht das schon.
Aufhorchen lässt auch eine Äußerung des Staatsanwalts in der vergangenen Woche. Er bezeichnete Kara-Mursa als „Feind“, der bestraft gehöre. Das erinnert an die Schauprozesse der Stalin-Zeit, wo vermeintliche „Volksfeinde“ gleich reihenweise abgeurteilt und exekutiert wurden. Aber es braucht gar nicht so exponierte Persönlichkeiten wie Wladimir Kara-Mursa oder Alexej Nawalny, der seine Haft womöglich ebenfalls nicht überleben könnte, um den Hass des Regimes auf sich zu ziehen.
Im Reich von Wladimir Putin reicht heute schon eine harmlose Kinderzeichnung, eine unbedachte Äußerung im Klassenzimmer, um den russischen Inlandsgeheimdienst FSB auf den Plan zu rufen. Es ist so erschütternd wie wahr: Russland ist nicht nur im Krieg gegen die Ukraine und den „kollektiven Westen“, sondern auch gegen sein eigenes Volk. Das sagt einiges über den Zustand dieses Landes aus, das sich schon längst aus dem Kreis zivilisierter Staaten verabschiedet hat. Das System hat abgewirtschaftet und ist moralisch verrottet. Dessen Fortbestand allein mit der Person Wladimir Putins zu verbinden, wäre aber reichlich naiv.
Der Tag werde kommen, an dem die Dunkelheit, die Russland überziehe, sich lichten werde, hatte Kara-Mursa in seinem Schlusswort gesagt. Bis dahin ist es wohl noch ein weiter Weg, aber der Ukrainekrieg könnte der Anfang vom Ende sein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär