Urteil gegen PKK-Aktivistin: Eine politische Botschaft
Die Deutschkurdin Gönül Örs ist zu einer hohen Haftstrafe verurteilt worden. Es ist ein Warnsignal an die PKK-Sympathisanten in Deutschland.
Z ehn Jahre Haft für eine Kundgebung zur Freilassung des früheren PKK-Chefs Abdullah Öcalan, noch dazu für eine Aktion in Deutschland, die von der deutschen Justiz bereits als vernachlässigbar eingestuft worden war. Das ist, wie die betroffene kurdischdeutsche Sozialarbeiterin Gönül Örs sagt, nach juristischen Maßstäben tatsächlich ein Skandalurteil, gleichzeitig aber ein durch und durch politisches Urteil, das mit juristischen Maßstäben wenig zu tun hat.
Die Türkei sieht sich seit über 30 Jahren im Krieg mit der bewaffneten kurdischen PKK. Man kann das falsch finden und von einem legitimen Befreiungskampf sprechen, aber die ganz überwiegende Mehrheit der türkischen Bevölkerung sieht das so wie die Regierung. Entsprechend hart geht die türkische Justiz gegen tatsächliche oder vermeintliche PKK-Unterstützer vor, gerade auch die im europäischen Ausland, von denen angeblich das Geld für den PKK-Kampf kommt.
Es ist sicher falsch, die kurdische Frage in der Türkei und der ganzen Region mit Gewalt lösen zu wollen. Das gilt für das türkische Militär, aber auch für die PKK. Die PKK ist keine Pfadfindertruppe, sondern eine harte stalinistische Kaderorganisation, die von der Führungsclique abweichende Meinungen als Verrat bestraft und auch in ihren gewaltsamen Aktionen wenige Skrupel kennt. Für sozialromantische Revolutionsmythen ist da kein Platz.
Anders als Journalisten und Menschenrechtler hat sich Gönül Örs wohl ziemlich blauäugig in diesen Konflikt hineinbegeben. Nicht zuletzt die kurdische linke HDP, die angetreten ist, den Konflikt friedlich und politisch auf parlamentarischem Weg zu lösen, hat in den vergangenen Jahren immer wieder unter der PKK gelitten, auch wenn sie das nicht laut sagt.
Dasselbe gilt für die irakischkurdische Autonomieregierung in Erbil, von dessen Territorium aus die PKK Krieg gegen die Türkei führt. Das Urteil ist deshalb vor allem eine politische Botschaft an Sympathisanten der PKK in Deutschland. Dazu passt, dass Gönül Örs nach mehr als zwei schwierigen Jahren in der Türkei nun dennoch ausreisen darf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge