Urteil gegen Einbecker Neonazis: Haftstrafen nach Anschlag
Neonazis hatten in Einbeck einen Aschlag auf das Haus einer „Seebrücke“-Aktivistin verübt. Einer der Beschuldigten ist mehrfach vorbestraft.
![Ein Briefkastenschlitz ohne Klappe in einer Tür aus Holz. Ein Briefkastenschlitz ohne Klappe in einer Tür aus Holz.](https://taz.de/picture/4522419/14/180062631_62eb299cca-1.jpeg)
Der Sprengsatz war explodiert und hatte den Briefkasten beschädigt, Trümmer wurden mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert. Auch die Haustür und das Mauerwerk wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ein Nachbar alarmierte die Polizei, er habe an dem gegenüberliegenden Haus eine Explosion mit einer Rauchwolke wahrgenommen.
Pascal Z. erlitt bei der Explosion Verletzungen an beiden Händen. Eine Blutspur führte nach Angaben der Ermittler vom Tatort bis zur wenige Minuten entfernten Wohnung des 26-Jährigen. Eine Hand sei bei Ankunft der Polizei verbunden gewesen, der Mann habe im Krankenhaus behandelt werden müssen. Jonas A. wurde in derselben Wohnung festgenommen. Beide Männer sitzen seit dem 18. Juni in Untersuchungshaft. Einem dritten Verdächtigen konnten die Ermittler eine Tatbeteiligung nicht nachweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Celle, die das Verfahren wegen des offensichtlich politischen Hintergrunds an sich gezogen hatte, warf den Angeklagten Sachbeschädigung, versuchte schwere Brandstiftung und versuchte Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion vor. Sie hätten beabsichtigt, einen „größtmöglichen Schaden“ im Gebäudeinneren durch die Explosion und einen dadurch entstehenden Brand hervorzurufen.
Das Gericht sah das am Dienstag ähnlich. Die Angeklagten hätten Glück gehabt, dass nicht mehr passiert sei, sagte der Vorsitzende Richter. Das Gericht verurteilte Z. zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. A., der Schmiere gestanden haben soll, während sein Kumpan den Böller in den Briefkasten stopfte, bekam ein Jahr und drei Monate auf Bewährung aufgebrummt. Die Verteidigung hatte Bewährungsstrafen für beide Beschuldigten gefordert.
Möglicherweise hat erst eine polizeiliche Panne den Sprengstoffanschlag ermöglicht: Bei einer früheren Durchsuchung bei den Angeklagten hatten Beamte des niedersächsischen Landeskriminalamtes Böller gefunden, die baugleich mit den beim Anschlag verwendeten waren. Weil der Erwerb zum Zeitpunkt des Kaufs legal war, hatten die Beamten den Neonazis die Sprengkörper wieder ausgehändigt. Seit 2018 dürfen solche Böller nicht mehr gehandelt werden. Für Z. besteht seit 2019 zudem ein allgemeines Waffenbesitzverbot.
Der 26-jährige Z. ist bereits mehrfach vorbestraft. Zuletzt war er im Oktober vom selben Amtsgericht Einbeck zu sieben Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden: Wegen Vortäuschens einer Straftat und wegen Bedrohung – unter anderem gegen die Frau, die auch Ziel des Sprengstoffanschlages war und im am Dienstag verhandelten Verfahren als Nebenklägerin auftrat. Dieses Urteil vom Oktober ist noch nicht rechtskräftig.
Z. und A. sind seit Längerem in der Einbecker Neonazi-Szene aktiv. Die rechtsextreme „Kameradschaft Einbeck“ hat sich dabei weitgehend zu einer Ortsgruppe der Partei „Die Rechte“ gewandelt. Nach Recherchen des Informationsportals „Blick nach Rechts“ passte der Parteistrategie der Anschlag in Einbeck aber nicht ins Konzept. „Die Rechte“-Funktionär Haupt habe sich vom Anschlag distanziert und verlauten lassen, Z. schade dem Ansehen der Partei. Haupt attestierte auch Jonas A. „parteischädigendes Verhalten“, weshalb er nicht in die Partei aufgenommen werde.
Im vergangenen November hatten Einbecker Rechtsextremisten bei einer Führung durch die nahe KZ-Gedenkstätte Moringen das Personal provoziert. Anschließend posierten sie mit nach oben gerichteten Daumen vor der Gedenkstätte. Die für das Foto geöffneten Jacken gaben den Blick auf T-Shirts mit dem in Frakturschrift geschriebenen Schriftzug „Zensiert!“ sowie mit der Aufschrift „Fuck you Israel“ und einem durchgestrichenen Davidstern frei. Für die Region – Südniedersachsen und das benachbarte thüringische Eichsfeld – listet das Antifaschistische Bildungszentrum und Archiv Göttingen allein für 2019 mehr als 400 rechtsextremistische Vorfälle auf.
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