Urteil gegen BND-Gesetz: Ein Snowden-Gedächtnis-Urteil

Ohne Edward Snowden hätte es das Karlsruher Urteil nicht gegeben. Es hat Folgen weit über den BND hinaus.

Richter in roten Roben

Der Erste Senats des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil Foto: Uli Deck/dpa

Der Whistle-Blower Edward Snowden hat in Deutschland wohl mehr erreicht als in seiner Heimat USA. Ohne Snowdens Enthüllungen vor sieben Jahren wäre die globale Überwachung der Telekommunikation durch den Bundesnachrichtendienst kein Thema geworden. Ohne Snowden hätte es deshalb auch keine Verfassungsklagen und eben auch kein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegeben.

Nun ist das Karlsruher Urteil sicher nicht so radikal wie Snowden, der die anlasslose Massenüberwachung abschaffen wollte. Tatsächlich wurde dem BND jetzt kaum etwas verboten. Sogar die massive Arbeitsteilung mit anderen Nachrichtendiensten wie der amerikanischen NSA bleibt erlaubt. Aber das Urteil zieht so viele rechtsstaatliche Netze ein, dass auch Bürgerrechtler aufrichtig zufrieden sind. Vor allem die Kontrolle des BND wird stark verbessert. Der wahre deutsche Vermittlungsausschuss sitzt in Karlsruhe.

Nun muss der Bundestag das Urteil umsetzen. Er hat dabei einigen Gestaltungsspielraum erhalten, vor allem bei der neuen gerichtsähnlichen Kontrollinstanz. Der Bundestag sollte die Chance nutzen, die ineffiziente Zersplitterung der deutschen Geheimdienstkontrolle auf derzeit vier Gremien zu beenden. Die Orientierung an einem funktionierenden Beispiel im Ausland könnte auch in der CDU/CSU Akzeptanz schaffen. So haben die Richter klare Sympathien für das britische Modell eines starken Investigatory Powers Tribunal erkennen lassen.

Der eigentliche Paukenschlag des Urteils geht aber weit über die BND-Befugnisse hinaus. Erstmals haben die Verfassungsrichter klargestellt, dass deutsche Grundrechte auch für Ausländer im Ausland gelten. Noch vor wenigen Jahren hielt man diesen Gedanken in deutschen Sicherheitskreisen für einen indiskutablen juristischen Spleen. Doch schon bald wird sich auch die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen mit Fragen der Verhältnismäßigkeit beschäftigen müssen. Das ist aber nur konsequent. Wenn deutsche Staatsgewalt im Ausland agiert, nimmt sie ihre Grundrechtsbindung mit.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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