piwik no script img

Urteil gegen BND-GesetzEin Snowden-Gedächtnis-Urteil

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Ohne Edward Snowden hätte es das Karlsruher Urteil nicht gegeben. Es hat Folgen weit über den BND hinaus.

Der Erste Senats des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil Foto: Uli Deck/dpa

D er Whistle-Blower Edward Snowden hat in Deutschland wohl mehr erreicht als in seiner Heimat USA. Ohne Snowdens Enthüllungen vor sieben Jahren wäre die globale Überwachung der Telekommunikation durch den Bundesnachrichtendienst kein Thema geworden. Ohne Snowden hätte es deshalb auch keine Verfassungsklagen und eben auch kein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegeben.

Nun ist das Karlsruher Urteil sicher nicht so radikal wie Snowden, der die anlasslose Massenüberwachung abschaffen wollte. Tatsächlich wurde dem BND jetzt kaum etwas verboten. Sogar die massive Arbeitsteilung mit anderen Nachrichtendiensten wie der amerikanischen NSA bleibt erlaubt. Aber das Urteil zieht so viele rechtsstaatliche Netze ein, dass auch Bürgerrechtler aufrichtig zufrieden sind. Vor allem die Kontrolle des BND wird stark verbessert. Der wahre deutsche Vermittlungsausschuss sitzt in Karlsruhe.

Nun muss der Bundestag das Urteil umsetzen. Er hat dabei einigen Gestaltungsspielraum erhalten, vor allem bei der neuen gerichtsähnlichen Kontrollinstanz. Der Bundestag sollte die Chance nutzen, die ineffiziente Zersplitterung der deutschen Geheimdienstkontrolle auf derzeit vier Gremien zu beenden. Die Orientierung an einem funktionierenden Beispiel im Ausland könnte auch in der CDU/CSU Akzeptanz schaffen. So haben die Richter klare Sympathien für das britische Modell eines starken Investigatory Powers Tribunal erkennen lassen.

Der eigentliche Paukenschlag des Urteils geht aber weit über die BND-Befugnisse hinaus. Erstmals haben die Verfassungsrichter klargestellt, dass deutsche Grundrechte auch für Ausländer im Ausland gelten. Noch vor wenigen Jahren hielt man diesen Gedanken in deutschen Sicherheitskreisen für einen indiskutablen juristischen Spleen. Doch schon bald wird sich auch die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen mit Fragen der Verhältnismäßigkeit beschäftigen müssen. Das ist aber nur konsequent. Wenn deutsche Staatsgewalt im Ausland agiert, nimmt sie ihre Grundrechtsbindung mit.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 9G
    96173 (Profil gelöscht)

    1,5 Jahre Zeit Hintertüren zu basteln...

  • "Der Whistle-Blower Edward Snowden hat in Deutschland wohl mehr erreicht als in seiner Heimat USA."

    Nüscht hat der gute Mann erreicht. Von seinem Akt der selbstaufopferung ist nur ein blasses Echo wahrzunehmen, vielleicht als cautionary tale wird er noch benutzt, dt wars.

    "Der Whistle-Blower Edward Snowden hat in Deutschland wohl mehr erreicht als in seiner Heimat USA."



    Ist schon Ironie, dass Snowden für ein Land etwas erreicht haben soll, welches ihm Asyl verwehrt habe als er es bitternötig gehabt habe.

    Während Zeitungsartikel über seine längst vergangenen Heldentaten berichten sitzt der Held währendessen in Einzelhaft und schreit durch hermetisch abgeriegelte Türen: Ich lebe noch!

  • Das BVerfG hatte selbst die third-party-rule vor den GG Art. 10 gestellt im Selektoren-Urteil, während des NSA-U.A. - und nun hat es sich tatsächlich korrigiert! Das bewundere ich. Den Mut, umzusteuern und zu korrigieren, zurück zum aufrichtigen Schutz unserer Grundrechte, - es macht mich glücklich! Endlich richtig gute Nachrichten in der causa Edward Snowden, nach so langer Zeit! Jetzt müssen wir noch den Whistleblowerschutz hinbekommen!

  • Liggers.

    & Gedankt sei vor allem dem Richter Hermann Heußner.



    Dem “Erfinder“ des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung!



    de.wikipedia.org/w...rmann_Heu%C3%9Fner



    Das sog. Volkszählungsurteil kam seinerzeit völlig überraschend.



    &



    Noch heute beißen drob alle IMs & dero Adlati in die Tischkante.



    &



    Seine öffentliche Verteidigung kostete exIm & Präsi Ernst Benda:



    Den EuGH-Präsi.

    So geht das

    unterm—— Papa Heußner —



    “ Überliefert ist von ihm die Anekdote, dass er Vorschläge, das Gebäude des Bundesverfassungsgerichts nach dem Deutschen Herbst mit einem Wassergraben gegen terroristische Anschläge zu schützen, mit den Worten „Aber dann auch mit Krokodilen.“ lächerlich machte.…“

    • @Lowandorder:

      Hermann Heußner war in der Tat ein großartiger Richter. Ich würde ihn aber eher als „Durchsetzer“ des RiSB bezeichnen, denn als Erfinder. Die Anerkennung des RiSB durch das BVerfG 1983 war das Ergebnis eines 12-jährigen juristischen Diskurses begonnen durch Prof. Wilhelm Steinmüller 1971. Mit Heußner hatten die Befürworter jedoch einen starken Verbündeten im BVerfG. Musste heute auch an ihn denken.

      • @Brandeis:

        Klar - Steinmüller auf dem (Computer)Richterratschlag erinner ich gut. Wie der die Lichter aufsetzte.



        “Wo steht denn der Rechner? Außerhalb



        Ja dann könnense alle Vereinbarungen vergessen!“ usw usf Herrlich. Nüchtern.

        Aber Heußner war versierter BE & konnte als gelernter Sozialrichter dazu noch gestandene Praxis beisteuern.



        &



        Sie übersehen vllt - daß zuvor auch in eher linken Kreisen - die beiden Anwältinnen - die das Volkszählungsteil via Karlsruhe gebracht hatten - eher belächelt wurden.



        Melodie “…das wird sowieso nix.“



        Um so gewaltiger schlug das ein.

        unterm—— entre nous —-



        Wie die Stimmung - auch in der Justiz war kl. Reminiszenz zu den Tischen etc durfte ich mir anhören“Auch ein Richter muß sich an Recht&Gesetz halten!“



        (Ok - Kuschi (OVG MS) a tel :“ Ein Satz!“;)

        • @Lowandorder:

          Ps - sorry mein Hirn ~~~

          Wenn ich’s recht erinner - waren Papa Heußners Hiwis zu der Zeit - zudem gestandene Ratschläger.



          ( www.richterratschlag.de/ ;)

  • Wie schön, eine relevante Kraft in unserem Land zu wissen, die das Recht der einzelnen (und natürlich einzelinnen) nicht biegt und bricht, sondern respektiert.