Urteil des Verfassungsgerichts: Recht auf Vergessen gestärkt
Die Verfassungsbeschwerde eines 1982 verurteilten Mörders war erfolgreich. Sein Name muss zukünftig aus Online-Artikeln gelöscht werden.
Der Kläger wurde im Jahr 1982 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er an Bord einer Jacht zwei Menschen erschossen hatte. Wer heute – 37 Jahre später – seinen Namen in einer Internetsuchmaschine eingibt, stößt nach wie vor auf kostenlos abrufbare Artikel im Archiv des Magazins Der Spiegel. In denen wird der vollständige Name des Manns genannt. Dagegen erhob er schließlich eine Unterlassungsklage.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diese Klage allerdings in letzter Instanz abgewiesen. Der Schutz der Persönlichkeit habe in diesem Fall hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten, so der Gerichtshof damals. Dagegen zog der Mann vor das Bundesverfassungsgericht, das seiner Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil nun stattgab.
Onlinepressearchive können laut dem Beschluss des höchsten deutschen Gerichts in Karlsruhe verpflichtet sein, Schutzvorkehrungen gegen die zeitlich unbegrenzte Verbreitung personenbezogener Berichte durch Internetsuchmaschinen zu treffen. Es sei ein Ausgleich anzustreben, der einen ungehinderten Zugriff auf einen Originaltext möglichst weitgehend erhalte, diesen bei bestehendem Schutzbedarf aber im Einzelfall doch hinreichend begrenze. Die Entscheidung des BGH halte diesen Anforderungen nicht in jeder Hinsicht stand.
Die Verfassungsrichter verwiesen auf die besondere Bedeutung der seit einer Tat vergangenen Zeit. Das berechtigte Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung nehme mit zunehmendem zeitlichen Abstand ab, hob das Gericht hervor.
Das Verfassungsgericht stellte zugleich klar, dass Betroffene nicht allein über das „Recht auf Vergessenwerden“ bestimmen könnten. „Welche Informationen als interessant, bewundernswert, anstößig oder verwerflich erinnert werden, unterliegt insoweit nicht der einseitigen Verfügung des Betroffenen“, erklärte das Gericht. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folge nicht das Recht, alle früheren personenbezogenen Informationen aus dem Internet löschen zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland