Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs: Signal an Russland
Ein Gericht stellt Menschenrechtsverletzungen durch Russland im Georgien-Krieg fest. Sonderlich ernst nimmt das Land die Urteile aus Straßburg nicht.
D ie Nachricht aus Straßburg wird viele Georgier*innen mit Genugtuung erfüllen. Russland hat 2008 im Nachgang zu den Kampfhandlungen um die georgische Provinz Südossetien schwere Menschenrechtsverletzungen mit zu verantworten. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt.
Wie heikel dieser Fall ist, zeigt der Umstand, dass die Straßburger Richter fast zehn Jahre für ihre Urteilsfindung gebraucht haben. Mit diesem Verdikt ist auch das Narrativ des Kreml, die Südosseten agierten in Eigenregie, als das entlarvt, was es ist: reine Propaganda. Angesichts der jüngsten juristischen Niederlage dürfte genau das der Vorwurf sein, den Moskau an die Adresse des Westens erheben wird.
Das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs wirft erneut die grundsätzliche Frage auf, wie Europa mit dem östlichen Nachbarn umgehen soll. Moskau behält sich vor, Urteile nicht umzusetzen, so sie denn der russischen Verfassung entgegenstehen. Dabei werden Fälle, die Russland betreffen, mit Abstand am häufigsten in Straßburg verhandelt.
Auch auf die Rolle Russlands im Europarat, zu dem der Gerichtshof gehört, lohnt ein Blick. Die Suspendierung des Stimmrechts in der parlamentarischen Versammlung wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim beantwortete Moskau mit einer Stornierung seiner Beitragszahlungen. Und der Europarat? Er zog den Schwanz ein und nahm die russische Delegation 2019 wieder auf. Man könne russischen Bürger*innen nicht die Möglichkeit nehmen, vor das Straßburger Gericht zu ziehen, lautete ein Argument der Befürworter*innen.
Wie wenig ernst Moskau diese Institution nimmt, wurde erst vor wenigen Tagen wieder deutlich. Einer Anhörung zum Fall des vergifteten Oppositionellen Alexei Nawalny blieben die russischen Vertreter fern. Was tun? Jedenfalls nicht weiterwursteln wie bisher. Es sei denn, der „Hüter der Demokratie“ möchte sich auch künftig von Moskau vorführen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr