Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Eigenbedarfskündigung erleichtert
Die Karlsruher Richter billigen die Kündigung einer Mieterin. Der Eigentümer will die Wohnung für gelegentliche Treffen mit seiner Tochter benutzen.
FREIBURG taz | Der Eigentümer einer Mietwohnung kann auch dann eine Eigenbedarfskündigung aussprechen, wenn er den Wohnraum nur als gelegentliche Zweitwohnung nutzen will. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Die Verfassungsbeschwerde einer Frau aus Berlin-Friedrichshain wurde abgewiesen.
Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Der Eigentümer der Wohnung ist ein Chefarzt aus Hannover. Er wollte gar nicht richtig in die Zwei-Zimmer-Wohnung einziehen. Vielmehr sollte die Wohnung nur für gelegentliche Treffen mit seiner damals 14-jährigen Tochter aus einer früheren Beziehung dienen. Mit dieser Begründung kündigte er der Mieterin, die dort 26 Jahren lang gelebt hatte.
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg lehnte die Eigenbedarfs-Kündigung zunächst als vorgeschoben ab. Angesichts des Arbeitspensums des Arztes und seiner neuen Familie mit vier Kindern in Hannover werde er wohl nicht oft nach Berlin zu seiner Tochter kommen.
Dagegen hielt das Landgericht Berlin den Eigenbedarf für glaubwürdig. Die Kündigung der Mieterin sei also rechtmäßig erfolgt. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Daran machte sich nun die Verfassungsbeschwerde fest. Es sei noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob die geplante „seltene“ Nutzung einer Wohnung eine Eigenbedarfskündigung zulässt. Die Beschwerde konnte sich dabei auf den ehemaligen Richter am Bundesgerichtshof Dietrich Beyer berufen, der die Nichtzulassung der Revision als „völlig unakzeptabel“ bezeichnete.
Eine mit drei Richtern besetzte Kammer des Verfassungsgerichts lehnte jetzt aber die Beschwerde der Mieterin ab. Die Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung sei eindeutig. Es genüge, wenn der Eigentümer „vernünftige und nachvollziehbare Gründe“ für die eigene Inanspruchnahme des Wohnraums nenne. Es sei nicht erforderlich, dass er seinen Lebensmittelpunkt in die neue Wohnung verlege. Nur einzelne Amtsgerichte hätten bisher den Wunsch nach einer Zweitwohnung generell nicht ausreichen lassen. Das allein führe „noch nicht zu einer erneuten Klärungsbedürftigkeit einer bereits geklärten Rechtsfrage“, so die Verfassungsrichter.
Sie konnten sich zumindest im Ergebnis auf eine Stellungnahme des Bundesgerichtshofs stützen. Die obersten Fachrichter hatten erklärt, es liege kein Grund für die Zulassung der Revision vor. Das Verfahren habe keine grundsätzliche Bedeutung. Ob die geplante Nutzung als Zweitwohnung eine Eigenbedarfskündigung rechtfertige, müsse in jedem Einzelfall entschieden werden. In der Sache ist der BGH also gemäßigter als das Verfassungsgericht. (Az.: 1 BvR 2851/13)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja