Urteil des Arbeitsgerichts: "Klassenkampf" verloren
Der "Weser-Kurier" hat seine Anzeigen-Akquisition auf eine neue Firma übertragen. Die Betriebsräte wird man so einfach nicht los.
Fünf Rechtsanwälte saßen um den Verhandlungstisch im Arbeitsgericht und eine Vertreterin der Gewerkschaft Ver.di. Formal ging es darum, dass die Weser-Kurier-Mediengruppe ihre Anzeigenakquisition von einer Tochterfirma – MVB – zum 1. 3. 2012 auf eine neue Firma – SKC – übertragen hat. Die überwiegende Zahl der MitarbeiterInnen der alten MVB arbeiten seitdem bei der neuen Firma SKC, Geschäftsführer samt Sekretärin sind hinübergegangen, die Arbeitsbereiche sind dieselben und in den Media-Unterlagen für 2013 sind anstelle der Telefonnummern der alten MVB nun die neuen der SKC eingetragen. Nur einige Mitarbeiter, insbesondere die engagierten Betriebsräte der MVB, sind nicht mehr dabei.
Das Spiel mit der neuen Firmengründung sei „Klassenkampf von oben“, hatte der Arbeitsrechtler Jürgen Maly einmal gesagt, es gehe darum, die Betriebsräte loszuwerden. Denn in Wahrheit handele es sich um einen „Betriebsübergang“, und da müssen alle Beschäftigten des alten Betriebs in den neuen übernommen werden.
Das sah, um das Ergebnis vorwegzunehmen, das Arbeitsgericht nach einstündiger Verhandlung auch so – und gab den beiden klagenden MVB-Mitarbeitern Recht. Vermutlich wird der Weser-Kurier Berufung einlegen gegen das Urteil.
Die neue Akquisitions-Firma SKC ließ sich anwaltlich von dem Vorsitzenden des Weser-Kurier-Aufsichtsrates Johannes Weberling vertreten. Dies verstärkt den Eindruck, den die betroffenen Betriebsräte von Anfang an hatten: Die SKC ist eine Strohmann-Konstruktion. Im Handelsregister gehören die Gesellschafteranteile letztlich Holger Albert Stark, aber es ist kaum vorstellbar, dass der Weser-Kurier seine gesamte Anzeigen-Akquisition einer Firma anvertraut, auf die er keinen Zugriff hat.
Dass die alte Akquise-Firma MVB nicht aufgelöst wurde, sei auch ein „Fake“, um den Betriebsübergang zu verschleiern, argumentierte Maly.
Dagegen erklärte Weberling, man habe jetzt „zwei Schiffe im Markt, um mehr herauszuholen“. In der gedruckten Ausgabe oder im Internet-Auftritt des Weser-Kuriers kommt die alte MVB nicht mehr vor, nicht einmal in den Media-Unterlagen für 2013 ist sie erwähnt. „Völlig unerheblich“ sei das, erklärten die Weser-Kurier-Vertreter vor Gericht, entscheidend sei doch die Akquisition von Neukunden, und die erreiche man über Mailings.
Geklagt hatte ein Akquisiteur, der seit 13 Jahren im Vertriebsgebiet Wümme gearbeitet hat. Ihm wurden seine Kontakte schlicht weggenommen. Geklagt hatte auch die Anzeigen-Buchhalterin der MVB, die seit dem März mit anderen Tätigkeiten beschäftigt wird, weil es kaum noch Anzeigenumsätze zu buchen gibt.
Auf einer Betriebsversammlung am Mittwoch hat der Vorstand des Weser-Kuriers mitgeteilt, dass die Anzeigenerlöse im laufenden Jahr deutlich schwächer als erwartet ausfallen. Und dass die Redaktion Achim/Verden aufgelöst werden soll – die redaktionelle Leistung soll von der nicht tarifgebundenen Tochterfirma Pressedienst Nord eingekauft werden, die dafür neue Redakteure einsetzt, die weniger kosten.
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