Urheberrechte von Fotos: CC ist nicht OK
Wer im Internet welches Foto nutzen darf, ist kompliziert. Ein Museum geht juristisch gegen Wikipedia und kleinere Seitenbetreiber vor.
Den Nachwuchs für Musik und Theater interessieren, junge Menschen und Experten zueinander bringen: das kleine Online-Portal “Musical & Co.“ hat sich über Jahre hinweg genau dafür engagiert. Wer dieser Tage aber die Seite aufruft, findet nur noch ein paar Zeilen vor, „mit großem Bedauern“ unterzeichnet: „Wegen der Überprüfung unserer Quellen ist die junge, musikalische Mitmach-Webseite für Kinder und Jugendliche geschlossen.“
Das Musiktheater-Portal ist derzeit in einen Rechtsstreit verwickelt, so wie bis vor ein paar Tagen noch detektor.fm, ein Leipziger Radiosender. Der sendet zwar noch, hat aber ebenfalls Post von einem Berliner Rechtsanwalt bekommen. Der Streit dreht sich um ein Bild das den Komponisten Richard Wagner zeigt. Gemalt hat ihn Caesar Willich – ungefähr 1862.
Das ist lange her und künstlerische Werke sind 70 Jahre nach dem Tod eines Autors hierzulande gemeinfrei. So verbreitet dann auch Wikipedia das Gemälde – genauer gesagt natürlich: ein Foto davon – unter einer sogenannten Creative-Commons-Lizenz, die mit ein paar Einschränkungen eine kostenfreie Nutzung ermöglicht. Eigentlich.
Die große Frage ist nun: Dürfen die das überhaupt?
Das Original gehört den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. Ein Hausfotograf hat es vor etwa 23 Jahren abgelichtet. „Wir als Rechteinhaber wären alleine dazu berechtigt, die Fotografie unter eine CC-Lizenz zu stellen“, sagt eine Museums-Sprecherin. „Dies haben wir jedoch nicht getan.“
Nicht urheberrechtlich schutzfähig
Das Mannheimer Museum beteuert, sich „zunächst mehrfach“ an Wikimedia gewandt zu haben, den Verein, der das Online-Lexikon trägt. „Wir haben hierauf jedoch keine Antwort erhalten“, berichtet die Museums-Sprecherin. Deshalb habe man schließlich Klage gegen Wikimedia eingereicht.
Wikimedia Deutschland reagierte zwar bis zum Donnerstagabend nicht auf Fragen der taz zu diesem Fall. Auf der Seite von Wikimedia Commons heißt es aber unter dem Bild: „Nach hier vertretener Auffassung ist diese Fotografie des Gemäldes nicht urheberrechtlich schutzfähig. Die Reiß-Engelhorn-Museen Mannheim gehen derzeit dennoch gegen Nutzer des Fotos vor.“
Ist eine Eins-zu-Eins-Fotografie eines Kunstwerks schutzwürdig? Marcus Engert, Redaktionsleiter von detektor.fm, hat dazu Fachliteratur gewälzt und geht nun „nicht davon aus, dass das neue Kunst ist“. Die Frage, ob neue Kunst entstehe, sei zudem „nicht an den technischen Aufwand“ einer Fotografie geknüpft. „Aber das Museum sieht das anders.“
Kein Recht, eine Pflicht
Warum aber will ein Museum, das zur Stadt gehört, überhaupt Geld für solche Fotos – immerhin hat der Bürger doch den Museumsbetrieb bereits bezahlt? Das Museum verweist auf das „öffentlich-rechtliche Kostendeckungsprinzip“. Es sei „nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (...) angemessene Gebührensätze“ zu verlangen.
Der Streit um das Wagner-Gemälde zeigt, wie unsicher nach wie vor die Nutzung von Bildern ist, die unter sogenannter CC-Lizenz verbreitet werden. Wikimedia hat im Zweifel die Mittel, einen Rechtsstreit durch- und nicht zuletzt das Risiko auszuhalten, einen Prozess zu verlieren. Einzelne Seitenbetreiber aber fürchten hohe Kosten.
Das Musiktheater-Portal ist erst mal offline, die Leipziger Radiomacher wiederum haben sich inzwischen per Unterlassungserklärung verpflichtet, das besagte Foto nicht weiter zu verbreiten. Damit einher geht eine Rechnung von mehreren hundert Euro.
Marcus Engert von detektor.fm spricht zerknirscht von „dem Weg mit dem geringsten potenziellen Schaden“. Er macht damit einen Haken an das Problem. Wikimedia aber zieht seine Sache offenbar durch: Das Foto steht weiterhin auf der Seite. Es sieht so aus, als würde die Angelegenheit vor Gericht landen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz