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„Urbane Mitte“ in KreuzbergUnfreundliche Übernahme

Bausenator Christian Gaebler entmachtet Friedrichshain-Kreuzberg bei umstrittenem Bauvorhaben am Gleisdreieck. Die Grünen im Bezirk sind fassungslos.

Investorenträume am Rand des Gleisdreieckparks in Kreuzberg Foto: Stephen Weber

Berlin taz | Im Streit um das Bauvorhaben „Urbane Mitte“ am Gleisdreieckpark hat Bausenator Christian Gaebler (SPD) Nägel mit Köpfen gemacht und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg am Montag einen Teil der Planung entzogen. Der Protest der in Friedrichshain-Kreuzberg dominierenden Grünen kam postwendend.

So erklärt Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt auf taz-Nachfrage, er habe den Eindruck, „dass hier ein politisches Exempel statuiert werden soll, welches weitere Einschränkungen der bezirklichen Planungshoheit vorbereiten soll“. Für den Grünen-Politiker reiht sich der Entzug der Zuständigkeit am U-Bahnhof Gleisdreieck in Kreuzberg dabei ein „in eine Folge politischer Positionierungen des Senats zugunsten von aus der Zeit gefallenen Bauprojekten“.

Julian Schwarze, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sieht das genauso. „Da frage ich mich, welche Rolle sollen die Bezirke denn überhaupt noch spielen und für wen planen wir hier eigentlich die Stadt?“, sagt Schwarze zur taz. Wie so häufig stelle sich der schwarz-rote Senat auch am Gleisdreieck „einseitig auf die Seite des Investors“ und verhindere „zeitgemäße Anpassungen der Planungen“, so Schwarze.

24.000 Quadratmeter vor allem für Büros

Konkret geht es am Rand des Gleisdreieckparks um das kleinere von zwei Teilbauvorhaben: die „Urbane Mitte Süd“ mit zwei Gebäuden mit fast 24.000 Quadratmeter Geschossfläche, vorgesehen vor allem für Büros und sonstiges Gewerbe. Wobei sich SPD-Senator Gaebler bei der nun vollzogenen unfreundlichen Übernahme der Planung auf einen Rahmenvertrag von 2005 beruft, der dem damaligen Investor die Errichtung von Gewerbeflächen auf dem Areal zusicherte.

Der Bezirk läuft gegen den Uraltplan schon seit Jahren Sturm. Gleichwohl schien der Widerstand lange aussichtslos. Denn bei Projektänderungen stünden dem Investor bis zu 150 Millionen Euro Schadensersatz zu. So zumindest die Argumentation des Senats.

Auch das ist Schnee von gestern, heißt es hierzu aus Friedrichshain-Kreuzberg. Schließlich kam Anfang des Jahres ein vom Bezirksamt in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu einem gänzlich anderen Schluss. Demnach sei der Rahmenvertrag von 2005 zwar gültig, der darin vereinbarte Entschädigungsmechanismus aber unwirksam.

Bausenator Christian Gaebler ficht das nicht an. Er habe Friedrichshain-Kreuzberg schon im März angewiesen, die Planungen jetzt mal „zeitnah und zügig fortzuführen“. Dem sei man nicht nachgekommen. Folglich musste er nun handeln, der Investor habe ja „bereits erhebliche Vorleistungen“ geleistet. „Es geht darum, Vertrauensschaden vom Land Berlin abzuwenden“, beschied Gaebler am Montag dem entmachteten Bezirk. Eine Begründung, die Grünen-Politiker Julian Schwarze mit nur einem Wort kommentiert: „hanebüchen“.

Auch Linke kritisiert „klimapolitischen Wahnsinn“

Katalin Gennburg, die Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion, wird noch deutlicher. „Während in Berlin bereits über eine Million Quadratmeter Bürofläche leerstehen, setzt sich Betonsenator Gaebler für den Bau eines zweiten Potsdamer Platzes im Gleisdreieckpark ein“, sagt Gennburg.

Das sei nicht nur „klimapolitischer Wahnsinn“ in Diensten eines „windigen“ Investors. Es gebe, so die Linken-Politikerin, auch einen Vorgeschmack auf „die Basta-Politik“, die mit dem vom Senat am Dienstag im Entwurf beschlossenen Schneller-Bauen-Gesetz „zum Standard werden soll“.

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17 Kommentare

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  • Das Statement des Senators zeugt von erheblicher Unkenntnis des Sachstandes. Allein in den wenigen Zeilen der Pressemitteilung finden sich zahlreiche Fehler - der Investor der Urbanen Mitte hat keineswegs den Park bezahlt, das hat der Träger des Potsdamer Platz getan, nach Vorschrift, da der Park eine klimarelevante Ausgleichsfläche darstellt (die jetzt zugebaut wird). Beim Wohnungsbau, auf den Hr. Gaebler Bezug nimmt, kann es sich nur um die Luxusapartments in der Flotwellstr. handeln, die den Anwohnern in den Bezirken mit Sicherheit nichts bringen, im Gegenteil. Auch was den Vertrag angeht, lässt der Senator unerwähnt, dass dieser nichtig und in Teilen sogar illegal ist - wie die Initiative AG Gleisdreieck in einem Rechtsgutachten festgestellt hat - welches der Bezirk übrigens in einem weiteren Gutachten bestätigen musste. Ist das hier noch Unkenntnis - oder einfach brutalstmöglicher Investorenschutz?

  • Bernhard Schulz , Autor*in ,

    Das Problem ist, dass das deutsche Planungsrecht - pardon: das jweils unterschiedliche Planungsrecht in 16 Bundesländern - ein BauVERHINDERUNGSrecht ist. Irrwitzig kompliziert, mit Einspruchsmöglichkiten ohne Ende...die Grünen (nicht nur) in Xberg-Fr'hain haben das seit Jahren zur Pefektion getrieben.

    • @Bernhard Schulz:

      Und das ist gut so. Alles andere dient der schnellen Verwirklichung von nutzlosen Investorenträumen. Wenn Politiker:innen solche Pläne vorantreiben, die den Anwohnenden/Bezirken etc. offensichtlich keinen Nutzen bringen, kann man sich fragen, welchen Nutzen denn sie ganz persönlich davon haben.

  • "Der Bezirk läuft gegen den Uraltplan schon seit Jahren Sturm."

    Der Plan ist ja wohl auch deswegen uralt, WEIL der Bezirk ständig behindert und verzögert. Mal ehrlich: wir alle wissen, dass F'hain-Kreuzberg eben einfach keine "kapitalistischen" Bauten will. Alles soll so bleiben, wie man es beim Hinzug nach Berlin vorgefunden hat. Hohe Bauten, gar noch mit Büros für gewinnorientiert arbeitende Unternehmen, sind des Teufels. Also wird alles versucht, um ihre Errichtung zu verzögern und zu blockieren.

    Es erinnert an den jahrelangen Streit um die Erweiterung des Mauerparkes. Da wurde von den Gegnern allen Ernstes behauptet, die Häuser westlich des Parks würden die Frischluftzufuhr des Parks abschneiden. Der ganze Streit verzögerte alles um Jahre. Heute nimmt niemand die Gebäude überhaupt wahr und es hat sich auch noch niemand über mangelnde Frischluft im Park beschwert - es sei denn, wegen der ganzen Grillrauchschwaden.

    All das ist so vorhersehbar, so anstrengend, so kleingeistig und durchschaubar.

    • @Suryo:

      Wieso ist es kleingeistig, mitten in der Innenstadt verhindern zu wollen, dass nur Büros für gewinnorientiert arbeitende Unternehmen und Luxusappartments gebaut werden? Diese Art der Bebauung macht die Mitte nicht " urban", sondern tot. Wie man an vielen Stellen schon sehen kann.

      • @blutorange:

        Da ist doch jetzt gar nichts. Tote Innenstädte entstehen dadurch, dass kleine Läden und Wohnungen in Altbauten von Gewerbeimmobilien ersetzt werden, nicht dadurch, dass neue Gewerbeimmobilien errichtet werden.

  • Andere Städte kommen sehr gut ohne "bezirkliche Planungshoheit" aus.

    Mal ehrlich: die Berliner Bezirke sind so groß wie Großstädte, aber wenn man sich mal echte Großstädte anschaut, dann sieht man zumeist erheblich professionelleres Personal.

  • Gibt es nicht schon genug leerstehende Büroflächen?

  • Die Grünen in Kreuzberg verzögern und diskutieren bis zum St Nimmerleinstag, wie ggf. die mega-perfekte Lösung aussehen könnte (ohne natürlich einig zu werden). Kommt mir aus meiner linken Vergangenheit sogar noch bekannt vor.

    Da aber JETZT Wohnungen gebraucht werden, ist es völlig richtig, dass der Senat auf die Tube drückt, sonst ist da nichts gebaut, wenn meine Enkel (die noch nicht geboren sind) in Rente gehen.

    • @Dr. McSchreck:

      Gut, dass für die Wohnungen, die wir jetzt brauchen Planungen für BÜROgebäude von gestern durchgedrückt werden sollen. Danke SPD.

  • Frage "Welche Rolle sollen Bezirke überhaupt noch spielen; Antwort: Am liebsten gar keine, hilfsweise allenfalls Ausführung.

    Die bezirklichen Kompetenzen sind ein Relikt aus der Grossberliner Zeit und Kosten den Steuerzahler Unsummen. Einfach als Verwaltungsinstanzen abschaffen.

    • @DiMa:

      Das sehe ich genauso.interessant ist auch die Haltung des Bezirks einmal geschlossene Verträge, weil man sie nicht mehr als zeitgemäß empfindet, nicht mehr einzuhalten.

    • @DiMa:

      Die Verwaltungsabteilungen, die die beispielsweise Bauleitplanung und Baugenehmigungen auf bezirklicher Ebene übernehmen, machen das nicht, wie von Ihnen suggeriert, zusätzlich und mit zusätzlichen Haushaltsmitteln, sondern übernehmen Aufgaben, die andernfalls mit entsprechenden personellen und finanziellen Kapazitäten auf Senatsebene bearbeitet werden müssten.

      Am Ende dürfte die Zentralisierung, die CDU/SPD mit dem Schneller-Bauen-Gesetz planen, sogar mehr Geld kosten, als jetzt ausgegeben wird, das das Land Berlin seine Beschäftigten deutlich höher entlohnt bzw. besoldet, als das die Bezirke tun. Es ist also das Gegenteil von dem zu erwarten, was Ihr Kommentar nahelegt.

      • @Pflasterstrand:

        Ungeachtet dessen gibt es unnötige Doppelstrukturen in Bezirken und Senat mit teilweise ungeklärten Zuständigkeiten und ohne ordentliches Telefonverzeichnis.

        Unnötige Doppelstrukturen und Kompetenzrangeleien gehören abgeschafft. Auch die Bezirke mit ihren Bürgermeisterin und drei Stadträten kosten unnötig viel Geld.

        Hamburg hat ebenfalls Bezirke nur sind die halt weisungsgebunden. Hieran sollte sich Berlin ein Vorbild nehmen und im Zuge der Verwaltungsreform einfach von HH abschreiben.

        • @DiMa:

          Sie haben nicht begriffen, dass gerade durch das Schneller-Bauen-Gesetz erst Doppelstrukturen und Kompetenzrangeleien geschaffen werden (z.B. beim Denkmal- und Naturschutz).

          Schließlich ist es mitnichten Absicht des Landes Berlin, die bezirklichen Verwaltungszuständigkeiten in toto abzuschaffen. Das wäre ja auch ein Himmelfahrtskommando, da es (u.a. aufgurnd fehlender Ortskenntnisse und fehlender personeller Kapazitäten) zu jahrelangem Komplettstillstand im bundesweit für seine zackige Organisation bekannten Berlin führen würde.

          Die Bezirke haben übrigens 5 Stadträte und eine'n Bürgermeister*in. Warum nur wundert es mich nicht, dass Sie sich da nicht so genau auskennen?

          • @Pflasterstrand:

            Diese Doppelstrukturen sind bereits uralt (deshalb versucht man sich ja immer wieder an Reförmchen). Wenn diese durch ein neues Gesetz vertieft werden, dann ist das ein guter Grund, die Bezirke zu überdenken (so wie im Artikel ja bereits getan).

            Naja und da Sie ja selbst die Anzahl der Stadträte (die Anzahl interessiert mich nicht, da ich sie für vollkommen überflüssig halte) ist ein weiteres Argument. Berzirkliche Stadträte dienen lediglich dazu, Parteigänger auf Staatskosten unterzubringen.

            Im Übrigen wäre es auch kein Himmelfahrtskommando, wie sie meinen. Der Senat würde die wichtigen Positionen einfach übernehmen und in den derzeitigen Verwaltubgen belassen. Diese Mitarbeiter sind dann auskunftspflichtig und weisungsgebunden (siehe Hamburg).

        • @DiMa:

          Zustimmung.

          So richtig irre und geradezu dreist auf die Verteilung von Pfründen angelegt ist die Tatsache, dass in den Bezirken jeder Fraktion der BVV Stadträte zustehen. So kommt es, dass dann grüne und sozialdemokratische Bezirksräte Kollegen von der AfD haben. Man kann sich ja vorstellen, wie gut und kollegial die Bezirksverwaltungen dann zusammenarbeiten. Keiner kann einem erklären, was das soll.