Upcycling von alten Strumpfhosen: Am nylonen Faden
Es war eine Mammutaufgabe: Was lässt sich aus kaputten Strumpfhosen noch Nützliches herstellen? Das Rätsel ist gelöst. Eine Anleitung.
Schönen Müll mache ich, seit ich denken kann. Früher in meinem Kinderzimmer nahm ich Kataloge und Zeitschriften auseinander, schnitt, klebte und malte. Bei meinen ersten Versuchen an der Nähmaschine kam eine Hose aus alten Hemden heraus – sie war nicht tragbar, aber ein Anfang. Alte T-Shirts schnitt ich in Streifen und häkelte damit. Diverse DIY-Blogs und später auch Instagram brachten neue Ideen, neue Techniken. Seit gut fünf Jahren schreibe ich darüber, was ich alles aus altem Material herstelle: eine Erinnerung und eine Hommage an jeden schönen Müll.
Der war lange auch eine Kostenfrage. Handarbeit ist ein teures Hobby. Das andere, noch viel größere Problem: Es gibt schon so viele Dinge auf der Welt, muss ich da wirklich noch mehr neu produzieren? Upcycling ist die Lösung für beides.
Der Weg vom Müll zum Schönen ist vielfältig: Manchmal ist es ein Gedankenblitz, ich sehe etwas, und zack – habe ich CD-Hüllen in kleine Boxen oder verfilzte Pullover in Kuscheltiere verwandelt. Manchmal ist es hingegen ein quälend langer Kreativprozess. Das Material ist zwar da, aber es sagt mir nicht direkt, was es werden möchte. Ideen oder Anleitungen aus dem Internet müssen ausprobiert und angepasst und neu gedacht werden. Dann klappt es doch gar nicht so wie gedacht, vielleicht aber ganz anders. Es braucht Lust am Rumprobieren. Und manchmal viel Geduld.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
So war es auch mit den Strumpfhosen. Sie scheuern auf zwischen den Beinen und werden löchrig an Ballen und Fersen. Klar, Laufmaschen lassen sich mit etwas Nagellack stoppen. Aber irgendwann sind die Löcher so groß und die Nähte halten so schlecht, dass das Teil aussortiert werden muss.
Über die Jahre sammelten sich immer mehr zerlöcherte Strumpfhosen bei mir an. Wegwerfen wollte ich sie nicht. Es kann ja wohl nicht sein, dass sich aus einem Material, das in solchen Mengen anfällt, kein schöner Müll zaubern lässt! Und während meine Sammlung wuchs, konnte ich mir selbst beim kreativen Prozess zuschauen.
Phase 1 – vom Material her gedacht: Es ist elastisch. Mit einzelnen abgeschnittenen Strumpfhosenstreifen band ich im Sommer meine überwuchernden Busch-Tomaten auf dem Balkon fest. Sie schneiden nicht ein und sind für die Pflanzen deshalb besser als herkömmliche Schnur oder Draht. Aber das braucht man nicht so oft. Und es blieb ein großer Haufen nicht mehr tragbarer Strumpfhosen mit Löchern übrig.
Phase 2 – von der Form her gedacht: Das Material ist schlauchig. Aus halbwegs intakten Wollstrumpfhosenbeinen lassen sich – gefüllt mit Woll-, Stoff- und Filzresten oder anderen, kaputten Strumpfhosen – wunderbare Zugluftstopper herstellen. Vor Türen und zwischen alten Doppelglasfenstern sorgen sie im Winter dafür, dass man die Heizung nicht ganz so hoch stellen muss.
Phase 3 – nochmal anders von der Form her gedacht: Aus den langen Beinen der Strumpfhosen kann man lange Schüre herstellen. Und aus Schnüren kann man Blumenampeln im Makramee-Stil knüpfen – ja, das ist jetzt wieder modern, seit einiger Zeit sogar schon. Da ich Pflanzen fast so sehr wie Handarbeiten mag, standen solche Blumenampeln schon lange auf meiner Ausprobier-Liste. Aber ich wollte keine teuren, neu produzierten Kordeln kaufen. Und so sind meine alten Strumpfhosen nun mein Schlüssel zum Glück: Mit Nylon-Makramee komme ich ins Blumenampelreich.
An den Löchern und großen Laufmaschen finden die Strumpfhosen-Schnüre ihr natürliches Ende, okay. Aber meist ist zumindest ein Bein oder die Unterschenkelpartie noch so gut in Schuss, dass man eine Schnur in ordentlicher Länge daraus machen kann. Natürlich lassen sich aus den elastischen Bändern nicht genauso kunstvolle Knoten knüpfen wie aus den eigentlich dafür verwendeten stabilen Kordeln. Für aufwendig gestaltete Makramee-Wandbehänge eignen sie sich deshalb nicht. Aber sind die Streifen breit genug, hält das Gebinde ein bisschen was aus – durchaus auch eine Pflanze inklusive Topf und Erde.
Ich habe das Rätsel der Strumpfhose gelöst! Was kann ich jetzt noch erreichen? Na ja, viel, sicherlich. Schöner Müll wird wohl eine Lebensaufgabe bleiben, wenn nicht morgen auf einmal der Kapitalismus und seine Neue-Dinge-produzier-Logik abgeschafft und Kreislaufwirtschaft und sinnvolle Pfandsysteme eingeführt werden. Meine Freundinnen und Freunde werden weiter Selbstgebasteltes, Selbstgenähtes, Selbsthergestelltes zu diversen Anlässen bekommen – und ich werde weiter all diese Dinge gerne wieder zurücknehmen, abändern, passender machen. Aber der öffentliche Teil, das Schreiben darüber, der endet hier.
***
Bastelanleitung für eine Blumenampel aus Nylonstrümpfen:
1. Zuerst müssen die Strumpfhosen in etwa 1,5 Zentimeter breite Streifen geschnitten werden. Dafür die Beine am Schritt von der Strumpfhose abschneiden und dann quasi in Ringel schneiden – aber so, dass die Ringel am Ende noch durch einen langen Steg verbunden sind.
2. Die Streifen werden nun von einem Steg zusammengehalten. Damit daraus eine lange Schnur wird, wird dieser Steg schräg von einem Einschnitt zum nächsten durchgeschnitten – beginnend vom Rand zum ersten Einschnitt, dann vom anderen Ende des ersten Einschnitts zum zweiten Einschnitt und so weiter. Die Schnur dann so dehnen, dass sich die Ränder einrollen.
3. Vier etwa 1,50 bis 2 Meter lange Streifen von der Schnur abschneiden, in der Mitte falten und verknoten – so entsteht die Schlaufe, an der die Blumenampel später aufgehängt werden kann. Von der Schlaufe sollten nun acht 70 bis 90 Zentimeter lange Schnüre abgehen.
4. Die acht Schnüre nebeneinander vor sich hinlegen und auf einer Höhe von 10 bis 20 Zentimetern unter der Schlaufe je zwei nebeneinanderliegende Schnüre verknoten – das ist die erste Knotenreihe. Für die zweite Knotenreihe etwa 5 Zentimeter unterhalb der ersten Knotenreihe wieder je zwei nebeneinanderliegende Schnüre miteinander verknoten – aber versetzt. Also Schnur 2 wird mit Schnur 3 verknotet, Schnur 4 mit Schnur 5, Schnur 6 mit Schnur 7 und schließlich Schnur 8 mit Schnur 1. So entsteht eine Art Netz. Für die dritte Knotenreihe noch mal etwa 5 Zentimeter unterhalb der zweiten Knotenreihe zwei nebeneinander liegende Schnüre miteinander verknoten – jetzt aber wieder wie bei der ersten Reihe: Schnur 1 mit Schnur 2 und so weiter.
5. Schließlich alle acht Schnüre fest miteinander verknoten. Jetzt kann durch eines der großen Löcher ganz oben ein Blumentopf in das Gebinde gehängt werden.
Achtung: Je nach Material der Strumpfhose dehnen sich die Schnüre unterschiedlich stark – dann müssen die Knotenreihen dichter beieinander oder weiter voneinander weg liegen, damit ein Blumentopf reinpasst. Deshalb beim ersten Mal die Knoten nicht zu fest zuziehen, damit sie variabel bleiben.
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