Unverbremt: Simone Schnase über den tödlichen Badeunfall in der Weser: Wenn ein Vierjähriger ertrinkt und Journalisten seinen Migrationshintergrund anführen
Am Donnerstag ist ein vierjähriger Junge in der Weser am Strand des „Café Sand“ ertrunken. Ein tragischer Badeunfall und nicht der erste in diesem Jahr, leider. Das liegt einerseits natürlich an der nun schon ungewöhnlich langen Badesaison des Brachialsommers 2018, aber auch an der schwindenden Aufmerksamkeit der Eltern.
Denn diese, sagte erst vor wenigen Wochen der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung, habe bedauerlicherweise nachgelassen. Zur gleichen Zeit sagte auch ein Sprecher des Hamburger Schwimmbadbetreibers „Bäderland“: „Das Verhalten von Eltern im Schwimmbad hat sich geändert.“ Als Grund wird einhellig das Benutzen des Smartphones genannt: Eltern starren auf ihre Handys, anstatt ihr Kind im Auge zu haben.
Vielleicht war das auch der Grund, warum der Vierjährige ertrunken ist. Und vielleicht war das auch der Grund für das Ertrinken eines Fünfjährigen im Freibad Blumenthal am 19. Juli. Vielleicht hatten diese und andere tragischen Todesfälle aber auch ganz andere Ursachen. In der Weser jedenfalls ist die Strömung selbst für Erwachsene ein großes Problem, auch auf Höhe des mit seinem angrenzenden Spielplatz so einladend aussehenden Weserstrandes – und für Vier- und Fünfjährige erst recht, denn die können normalerweise nicht schwimmen.
Der Weser-Kurier scheint das anders zu sehen. Denn er verweist in einem Online-Artikel vom Donnerstag bei dem Fünfjährigen auf dessen Herkunftsland Syrien und schreibt über den in der Weser Ertrunkenen: „Ob der Vierjährige, der am Donnerstag ertrank, einen Migrationshintergrund hat, ist unklar.“ Das Blatt begründet seine Neugierde auf das Geburtsland der toten Kinder folgendermaßen: „Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben in ihrer Heimat nie gelernt zu schwimmen. Gerade jetzt im Sommer birgt das große Gefahren, wie die Vorfälle zeigen.“
Er hat durchaus Recht, der Weser-Kurier: Viele Menschen mit Migrationshintergrund können nicht schwimmen. Das hat bereits in den vergangenen Sommern zu tödlichen Badeunfällen von Geflüchteten geführt (taz berichtete angemessen), aber: Kaum ein Vier- oder Fünfjähriger kann schwimmen, egal, ob er aus Syrien, Portugal, Österreich, Irak oder Liechtenstein kommt. Und, lieber Weser-Kurier, auch ein deutsches Kind kann in dem Alter noch nicht schwimmen.
Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt: „Über Menschen mit Migrationsgeschichte wird häufig in negativen und konfliktbehafteten Kontexten berichtet“ Meist bezieht sich das auf das Thema Kriminalität. Der Zusammenhang von Schwimmfähigkeit und Herkunftsland bei Kindern, die noch nicht einmal im schulfähigen Alter sind, ist allerdings ein neues, trauriges und den trauernden Eltern gegenüber äußerst pietätloses Phänomen in der Berichterstattung. Hoffentlich findet es keine Nachahmer.
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