piwik no script img

Gefesselten U-Häftling geschlagenGefängniswärter vor Gericht

Ein Hamburger Justizbeamter ist angeklagt, weil er einem Gefangenen die Nase gebrochen haben soll. Es wäre nicht der erste Fall in der U-Haft-Anstalt.

Mitten in der Stadt: Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis Foto: Hauka Hass/imago

Von

Amira Klute aus Hamburg

Ein 38-jähriger Justizbeamter steht seit Mittwoch vor dem Hamburger Amtsgericht. Dem Mann wird vorgeworfen, im September 2022 einen Gefangenen in der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis verprügelt, ihn beleidigt und ihm die Nase gebrochen zu haben. Er ist wegen Körperverletzung im Amt und Beleidigung angeklagt und deswegen seit Ostern beurlaubt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, dass er den Gefangenen, als dieser am Boden fixiert war, mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen und sich mit seinem Knie auf dessen Nacken gelehnt habe. Zudem soll er „Halt die Klappe, Hurensohn“ gesagt haben. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe.

Von Schlägen spricht er nicht. Der Gefangene habe schon im Warteraum randaliert. Dann im Umkleideraum habe er den Gefangenen auch nicht beleidigt, sondern „nur angeschrien, dass er aufhören soll“.

Denn der Gefangene habe sich mit Händen, Füßen und Zähnen „extrem“ dagegen gewehrt, sich entkleiden zu lassen, weswegen der Angeklagte und fünf Kol­le­g*in­nen ihn am Boden fixieren und ihm Jacke und Oberteil mit einer Kleiderschere hätten aufschneiden müssen. Dann hätten er und seine Kol­le­g*in­nen ihn im Kreuzfesselgriff nackt in einen gesondert gesicherten Haftraum gebracht.

Bei diesem Prozessauftakt wird vor allem eins klar: Wie normal Gewalt im Alltag der Untersuchungshaftanstalt ist.

Hämatom am Auge und eine gebrochene Nase

Zum Verfahren kam es, weil der Betroffene den Beamten angezeigt hat, noch aus dem Gefängnis heraus. In der U-Haft war er nur wegen eines Gerichtstermins, in der Justizvollzugsanstalt Billwerder saß er eine reguläre Haftstrafe ab. Als Zeuge kann er allerdings nicht gehört werden, weil er in der Zwischenzeit nach Tunesien abgeschoben wurde. Das Gericht konnte ihn nicht erreichen. Groß dürfte sein Interesse daran nicht sein, in Deutschland erwarten ihn offene Haftbefehle.

Auf Fotos nach der Sache in der U-Haft sieht sein Gesicht lädiert aus. Sein Mund und seine Nase sind geschwollen, seine Augenhöhle ist rundherum dunkelblau angelaufen. In seiner Aussage bei der Polizei, aus der die Richterin vorliest, berichtet der Gefangene, dass er noch Wochen später schlecht Luft bekommen, nachts aus der Nase geblutet und Albträume gehabt habe.

Er hatte ein „Monokelhämatom“, Schwellungen am Augenlid und eine Nasenbeinfraktur. Das steht im Bericht der Ärztin, die ihn behandelt hat. Es ist Vorschrift, dass Me­di­zi­ne­r*in­nen Gefangene in der U-Haft untersuchen, nachdem bei ihnen sogenannter „unmittelbarer Zwang“, also körperliche Gewalt, angewandt wurde.

Dem Gericht geht es nun allein um die Frage, ob es der Justizbeamte auf der Anklagebank war, der dem Gefangenen diese Verletzungen zugefügt hat. Und: War der „unmittelbare Zwang“ gerechtfertigt oder war es unzulässige Körperverletzung im Amt?

Die ganze Untersuchungshaft am Holstenglacis hat einen schlechten Ruf unter Gefangenen

Das konnte am ersten Prozesstag nicht aufgeklärt werden. Screenshots aus Überwachungsvideos, die im Gericht gezeigt werden, sind wenig aussagekräftig. Der Angeklagte sagt, er habe keine Verletzungen am Gefangenen bemerkt und stellt in den Raum, dass der sich diese in seiner Zelle selbst zugefügt haben könne.

Zwei Zeugen, Kollegen des angeklagten Beamten, sagen, sie könnten sich an die Sache vor drei Jahren nur erinnern, weil sie ihre Berichte von damals noch mal gelesen hätten. „Da passiert halt zu viel auf der Station“, sagt der eine.

Er meint die Sicherungs- und Beobachtungsstation, einen Teil der Untersuchungshaftanstalt, der für Gefangene vorgesehen ist, die andere oder sich selbst gefährden könnten oder bei denen Drogenkonsum vermutet wird. Die ganze Untersuchungshaft am Holstenglacis hat einen schlechten Ruf unter Gefangenen.

Sie ist schon seit Jahren chronisch überbelegt. Hier kommen alle Menschen hin, die in Hamburg festgenommen werden, außerdem Gefangene, die ins Krankenhaus, Gericht oder andere Haftanstalten transportiert werden. Das sind mehrere Tausend pro Jahr.

Es gab schon mehrere ganz ähnliche Fälle, bei denen gegen Beamte der Untersuchungshaft wegen Körperverletzung im Amt ermittelt wurde – in mehreren davon im Zusammenhang mit Rassismus.

Im Sommer 2024 berichtete die taz über einen ähnlichen Fall, im Jahr davor über den Fall von Karvan P., der im April 2023 von einem Beamten verprügelt wurde, aber selbst vor Gericht landete. Nur einige Monate zuvor, im Januar 2023, hatten sechs Be­am­t*in­nen einen anderen Häftling körperlich misshandelt und rassistisch beschimpft, wie eine kleine Anfrage der Linken beim Senat ergeben hatte.

Der Prozess gegen den nun angeklagten Beamten wird am 13. November fortgeführt.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare