Für Scheuer wird es ungemütlich

Grüne, Linke und FDP wollen mit einem Untersuchungsausschuss die Widersprüche des Verkehrsministers in der Maut-Affäre aufklären

Wird sich bohrenden Fragen im Untersuchungsausschuss stellen müssen: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Foto: Sina Schuldt/dpa

Von Anja Krüger

Flughafen Tegel, Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2018: Der österreichische Mautbetreiber Kapsch hat an diesem Feiertag einen Konferenzraum in Tegel organisiert, damit seine Repräsentanten einen hochkarätigen Gesprächspartner empfangen können: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das Treffen dauert eine Dreiviertelstunde. Brisant: Zwei Wochen später endet die Bieterfrist für Kapsch und andere Unternehmen, die in Deutschland die Pkw-Maut für Ausländer eintreiben wollen. Kapsch hat den Zuschlag bekommen. Jetzt, nachdem das Projekt gescheitert ist, hat die Firma Anspruch auf eine enorme Entschädigung. Wie viel sie haben will, wird sie in Kürze bekannt geben.

Diese Episode wird auch eine Rolle in dem Untersuchungsausschuss spielen, den Grüne, Linke und FDP im Bundestag einrichten. Sie wirft ein bezeichnendes Licht auf das Fiasko um die geplante Einführung einer Pkw-Maut für AusländerInnen. Bekannt geworden ist sie erst vor Kurzem. Auf Druck der Grünen im Bundestag hat das Verkehrsministerium weitere Spitzengespräche zwischen Minister und Betreibern eingeräumt. In den vielen Akten, die Scheuer dem Verkehrsausschuss des Bundestags öffentlichkeitswirksam zur Verfügung gestellt hat, finden sich darüber keine Informationen.

Die Pkw-Maut für Ausländer war ein Prestigeprojekt der CSU im Bundestagswahlkampf 2013. Scheuer wollte die von der Großen Koalition beschlossene Straßenabgabe rasch umsetzen, obwohl dagegen eine Klage Österreichs vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig war. Das Bundesverkehrsministerium schloss einen Vertrag mit einem Konsortium aus der österreichischen Firma Kapsch und der deutschen Firma CTS Eventim, damit das Projekt möglichst schnell starten konnte.

Vieles liegt auch Monate nach dem Aus für das Projekt noch im Dunkeln. Das glauben zumindest Grüne, Linke und FDP im Bundestag. Der von ihnen verlangte Untersuchungsausschuss soll Transparenz in Scheuers Desaster bringen – von den Verhandlungen mit den Betreibern über die Umstände der fragwürdigen Vertragsunterzeichung Ende 2018 bis zum Schadenersatz für die Unternehmen, der nun fällig wird, nachdem der Europäische Gerichtshof das Projekt im Juni 2019 gestoppt hat. „Verkehrsminister Scheuers mangelnde Bereitschaft, in der Maut-Affäre für Klarheit zu sorgen, sind ein deutliches Signal für uns, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss unumgänglich ist“, sagte Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. Scheuer habe die Aufklärung mit allen Mitteln ausgebremst und damit bewiesen, dass die angekündigte „maximale Transparenz“ nicht mehr als eine hohle Phrase sei. „Seinem Verschleiern und Verzögern muss mit dem Untersuchungsausschuss endlich ein Ende gesetzt werden“, sagte Kühn.

Grüne, Linke und FDP haben sich auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt. In ihren Fraktionssitzungen am Dienstag haben sie Unterschriften der Abgeordneten gesammelt, denn die müssen den Antrag auf einen Untersuchungsausschuss persönlich stellen. Wenn mindestens 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten einen Untersuchungsausschuss fordern, muss er eingerichtet werden.

Schätzungen zufolge fordern die Mautbetreiber Schadenersatz von bis zu einer halben Milliarde Euro. „Entgegen jeder Vernunft entschied sich Minister Scheuer, beim Projekt Pkw-Maut zu zocken“, sagt Sven-Christian Kindler, Sprecher für Haushaltspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. „Anders als bei privatem Glücksspiel zockte Andreas Scheuer aber nicht mit seinem eigenen Geld.“ Die Grünen fordern die Ablösung des Ministers.

Nicht nur wegen des erwarteten enormen Schadenersatzanspruchs steht Scheuer unter Beschuss. Medienberichten zufolge sollen die Betreiber ihm angeboten haben, die Vertragsunterzeichnung zu verschieben, bis das Urteil vorliege. Er bestreitet das. Außerdem soll ein Insider behauptet haben, Scheuer habe die Betreiber aufgefordert, ihr Angebot auf Verschiebung zu verschweigen. Auch das bestreitet er. Von den Geheimtreffen, bei dem dies geschehen sein könnte, existieren laut Verkehrsministerium keine Protokolle. „Dass diese Gespräche nicht in Vermerken dokumentiert wurden, erweckt den Anschein, dass vorsätzlich kritische Gesprächsgegenstände gegenüber dem Parlament verborgen werden sollten“, sagte Jörg Cezanne, Abgeordneter der Linkspartei. „Dies aufzuklären wird eine Aufgabe des einzurichtenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein.“

Vieles liegt auch Monate nach dem Scheitern des Projekts noch im Dunkeln

Die FDP fährt großes Geschütz auf. Scheuers Vorgehen sei eines Bundesministers unwürdig und müsse durch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden, da er selbst die Chance verpasst habe, reinen Tisch zu machen und Fehler einzugestehen, sagte der verkehrspolitische Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion Oliver Luksic.

„Er hat sich zudem in Widersprüche verstrickt, dabei wohl auch den Bundestag belogen und fortwährend maximal mögliche Transparenz versprochen“, erklärte Luksic. Bis heute würden dem Bundestag wesentliche Dokumente und Vermerke zur Aufklärung vorenthalten.

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