Untersuchung zu Giftgasangriff in Syrien: Sarin-Einsatz „unbestreitbar“
Eine Organisation hat Proben von zehn Opfern des Angriffs auf Chan Scheichun untersucht. Dass dabei das Nervengas Sarin eingesetzt wurde, gilt nun als sicher.
Die Analyseergebnisse seien „unbestreitbar“, sagte OPCW-Chef Ahmet Üzümcü. Proben von zehn Opfern des Angriffs, die in vier Labors untersucht worden seien, zeigten „die Einwirkung von Sarin oder Sarin-ähnlichen Substanzen“.
Untersucht worden seien Proben von drei Todesopfern des Angriffs sowie von sieben Menschen, die in Krankenhäusern behandelt wurden. Weitere Einzelheiten zu den Laboruntersuchungen würden folgen, sagte Üzümcü weiter. Zudem stehe ein OPCW-Team bereit, um vor Ort weitere Analysen vorzuzunehmen und Proben zu nehmen, „sollte die Sicherheitslage es erlauben“.
Der Westen wirft der syrischen Luftwaffe vor, am 4. April einen Giftgasangriff auf die Kleinstadt Chan Scheichun im Nordwesten Syriens geflogen zu haben. Die Regierung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad bestreitet, chemische Waffen eingesetzt zu haben. Nach russischer Darstellung soll das Nervengas aus Lagern der Rebellen stammen. Bei dem Angriff waren laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 87 Menschen getötet worden, unter ihnen 31 Kinder.
Belagerte Städte werden weiter evakuiert
Syriens Präsident Baschar al-Assad nannte die Vorwürfe, Chemiewaffen eingesetzt zu haben, vergangene Woche in einem AFP-Interview zu „hundert Prozent konstruiert“. Er warf dem Westen seinerseits vor, die angebliche Attacke als „Vorwand“ genutzt zu haben. Die USA hatten als Vergeltung einen syrischen Luftwaffenstützpunkt mit Marschflugkörpern angegriffen. Es war der erste direkte Angriff des US-Militärs auf die syrischen Regierungstruppen.
Frankreich kündigte unterdessen an, „Beweise“ für den vermuteten syrischen Giftgasangriff auf Chan Scheichun vorzulegen. In einigen Tagen werde die Regierung Informationen dazu veröffentlichen, sagte Außenminister Jean-Marc Ayrault am Mittwoch in Paris. „Sie zeigen, dass das Regime absichtlich Chemiewaffen eingesetzt hat“, sagte Ayrault.
In Syrien wurde am Mittwoch die Evakuierung mehrerer belagerter Städte fortgesetzt. Ein Konvoi von rund 60 Bussen mit 3000 Menschen aus den Orten Fua und Kafraja erreichte den Kontrollpunkt Raschidin, wie ein AFP-Reporter berichtete. An dem Kontrollpunkt hatte sich am Samstag ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und 126 Menschen mit in den Tod gerissen hatte, darunter fast 70 Kinder. Zu dem Anschlag bekannte sich bislang niemand.
Die Evakuierungen sind Teil einer Vereinbarung zwischen Regierung und Rebellen. Insgesamt sollen 30.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Nach UN-Angaben leiden 600.000 Menschen in Syrien unter Belagerungen, meist durch Regierungstruppen, aber auch durch Rebellen oder die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
In der nordsyrischen Stadt Aleppo wurden am Mittwoch nach Angaben des Staatsfernsehens bei der Explosion einer Bombe mindestens sechs Menschen getötet und 32 weitere verletzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste