Untersuchung in Hessen: Polizei stört sich an ihrem Image
Laut einer Studie des hessischen Innenministeriums sehen sich zwei Drittel der Beamten in der politischen Mitte. Fast die Hälfte klagt über Mobbing.
Die rechtsextremistischen Umtriebe in der hessischen Polizei, die im vergangenen Jahr für negative Schlagzeilen gesorgt hatten, machen den BeamtInnen offenbar in ihrem Alltag zu schaffen. Diese Vorfälle waren auch Anlass für die Befragung, die jetzt „bisher nie dagewesene Einblicke in den Polizeiberuf“ und wichtige Erkenntnisse über Einstellungen und Arbeitsumfeld lieferten, so Beuth.
Chatgruppen von Polizeibeamten, die Naziparolen und rechtsextremistische Inhalte ausgetauscht hatten, rassistische Posts in sozialen Netzwerken bis hin zu Straftaten – wegen solcher Vorfälle waren im vergangenen Jahr 38 Mitarbeiter der hessischen Polizei in den Fokus staatsanwaltschaftlicher und/oder dienstrechtlicher Ermittlungen geraten. Sechs der Betroffenen seien inzwischen entlassen worden, eine Kündigung stehe unmittelbar bevor; in 13 Fällen seien die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen und in 17 Fällen hätten sich keine strafrechtlichen Verfehlungen ergeben, zog der Minister am Montag eine Zwischenbilanz.
Vor allem für die letzte Gruppe bedürfe es jetzt individueller Programme für die Rehabilitation und Reintegration zurück in den Polizeidienst, sagte Münch. Gleichwohl bleibe es bei der konsequenten Verfolgung von Verfehlungen; Extremisten hätten keinen Platz in der hessischen Polizei, versicherten Innenminister und Polizeipräsident.
Diskriminierung und Mobbing
Die Ergebnisse zur politischen Selbsteinschätzung seien Beleg dafür, dass die hessische Polizei mit beiden Beinen auf dem Boden der Verfassung stünden, sagte Minister Beuth. Als „Grundpfeiler unserer Gesellschaft“ erkannten danach immerhin mehr als 91 Prozent der befragten PolizistInnen „Offenheit und Toleranz“. Dass „Einwanderer unser Land bunter und vielfältiger“ machen, sagten 66 Prozent.
Sorgen vor einer Islamisierung Deutschlands äußerten zwar fast 28 Prozent; dass die NS-Verbrechen „vielfach übertrieben dargestellt“ werden, sagen indes lediglich 3 Prozent. Eine Mehrheit von mehr als 64 Prozent der Befragten sehen sich in der politischen Mitte. Rund 20 Prozent verorteten sich als „mäßig rechts“, „rechts“ (1,6%) oder „ausgeprägt rechts“ (0,1%). Zweifel an der Aussagekraft dieser Daten, weil doch die Befragten gewusst hätten, was sozial erwünscht sei, tat der Minister als „Spekulation“ ab.
Während die Verantwortlichen mit dem dokumentierten Meinungsspektrum offenbar zufrieden waren, erkannten sie an anderer Stelle Handlungsbedarf. Dass fast 38 Prozent der Befragten über „Diskriminierung, Ausgrenzung oder Mobbing durch Beschäftigte der Polizei“ klagten, erfordere „Nacharbeitung“, sagte der Landespolizeipräsident. „Stark überzogene Kameradschaft und Abschottung nach außen“ attestierten mehr als 10 Prozent ihren KollegInnen.
Ein „lernendes System“
Überraschend wohl auch, dass neben dem stets beklagten Personalmangel (79 Prozent) und den zunehmenden Übergriffen (52 Prozent) und Beleidigungen (79 Prozent) durch Bürger vor allem das Überbringen von Todesmeldungen (58 Prozent) und tödliche Verkehrsunfälle (44 Prozent) als „besondere Belastung“ wahrgenommen werden. Die hessische Polizei will deshalb die Zahl der Hauptamtlichen im internen psychosozialen Dienst von derzeit 25 auf 50 verdoppeln.
Ihnen stehen zudem 100 nebenberufliche Fachleute zur Verfügung. Auch ergab die Studie, dass Frauen überdurchschnittlich stark Mobbing oder sexuelle Belästigung im Dienst erfahren hatten. Beim unabhängigen „Ansprechpartner“ für die Mitarbeiter der hessischen Polizei, der außerhalb der Hierarchie operiert, soll deshalb künftig zusätzlich eine unabhängige Ansprechpartnerin angesiedelt werden. Die hessische Polizei sei eben ein „lernendes System“, sagte Innenminister Beuth.
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