Untersuchung des Gaza-Kriegs: Spanien stellt die Genozid-Frage
Madrid ordnet eine Untersuchung von Israels Vorgehen im Gazastreifen an. Das funktioniert, weil unter den Opfern auch spanische Staatsbürger sind.
An diesem Ermittlerteam wird neben der Staatsanwältin für Menschenrechte und demokratisches Gedächtnis, Dolores Delgado, auch der Leiter der Staatsanwaltschaft an der Audiencia Nacional, das unter anderem für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig ist, teilnehmen. Die Gruppe soll „Beweise sammeln und diese den zuständigen Stellen zugänglich zu machen“.
Spanien – das seit einer Strafrechtsreform in den 1990er Jahren Untersuchungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zulässt, auch wenn sie außerhalb Spaniens geschehen – werde damit „den Verpflichtungen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit und der Menschenrechte“ nachkommen, so García Ortiz. Spaniens Justiz darf laut Strafgesetzbuch immer dann gegen Verantwortliche von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermitteln, wenn sich unter den Opfern spanische Staatsangehörige befinden. Laut Menschenrechtsstaatsanwältin Delgado sei dies im Gazastreifen der Fall.
65.000 Tote im Gazastreifen
Die spanische Staatsanwaltschaft werde sich mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) koordinieren und Ergebnisse der Ermittlungen weiterleiten, erklärt García Ortiz. Der IStGH hatte vergangenen November einen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu, sowie den damaligen israelischen Verteidigungsminister und mehrere Führer der palästinensisch Miliz-cum-Partei Hamas wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen.
Die Hamas überfiel mit anderen Radikalen am 7. Oktober 2023 Gemeinden in Südisrael, tötete dabei über 1.200 Menschen und verschleppte 251 Menschen als Geiseln nach Gaza. Knapp zwei Jahre nach dem Überfall befinden sich noch immer fast 50 Personen in der Gewalt der Hamas. Laut israelischer Angaben dürfte noch etwa die Hälfte von ihnen am Leben sein.
Israel begann nach dem Angriff einen Krieg im Gazastreifen, bei dem mittlerweile über 65.000 Menschen – darunter mindestens 18.000 Kinder – ihr Leben verloren. Große Teile der Dörfer und Städte wurden zerstört. Jüngst begann die Armee mit ihrer Offensive in der Metropole Gaza-Stadt – mit dem erklärten Ziel, diese völlig zu zerstören. Die Bevölkerung im Gazastreifen wurde im Lauf des Krieges immer wieder vertrieben. Zwischen März und Mai blockierte Israel Hilfslieferungen völlig, die Vereinten Nationen riefen eine Hungersnot aus. Noch immer ist die humanitäre Lage katastrophal.
García Ortiz sagt: Diese „Ereignisse gelten als schwere Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht und Verbrechen gemäß den Artikeln 607 des Strafgesetzbuches“. Dieser definiert Völkermord.
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