Unterstützung für Studierende: Bafög-Zahlen weiter auf Talfahrt
Die versprochene Trendwende bei der Unterstützung für Studierende ist ausgeblieben. Dafür werden die Rufe nach einer umfassenden Reform lauter.
Die Zahl der Bafög-Empfänger:innen schrumpft seit langem: Vor zehn Jahren hatten noch über 900.000 Schüler:innen und Studierende Geld für die Ausbildung erhalten. Diese Entwicklung setzt sich also weiter fort, obwohl die Große Koalition für die aktuelle Wahlperiode eine „Trendumkehr“ angekündigt hatte. Die sollte spätestens mit der jüngsten Bafög-Reform eintreten: 2019 waren die Freibeträge für das Einkommen der Eltern sowie für das Vermögen der Studierenden angehoben worden, um mehr jungen Menschen Zugang zur Förderung zu ermöglichen.
Das ist offensichtlich nicht gelungen – dabei wären viele Studierende und Schüler:innen auf das Geld angewiesen. Gerade die Coronapandemie hat die finanzielle Not vieler junger Menschen verstärkt. Da hilft es wenig, dass mit der Reform die Beitragssätze und die Wohnpauschale erhöht wurden.
Viele, die eigentlich einen Anspruch auf die Förderung hätten, stellen gar keinen Antrag, erklärt Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Die Aussicht, nach dem Studium mit einem Schuldenberg ins Erwerbsleben zu starten, schreckt insbesondere Kinder aus nichtakademischen Familien von einer Hochschulausbildung ab.“ Er dringt auf eine „Rundumerneuerung“ der Ausbildungsförderung.
Karliczek macht zögerlich weitere Vorschläge
Der studentische Dachverband fzs sieht das ähnlich: „Anpassungen reichen nicht, es braucht eine grundlegende Neustrukturierung“, fordert Vorsitzende Carlotta Kühnemann. „An erster Stelle steht für uns, dass die Elternfreibeträge weiter erhöht werden. Außerdem müssen wir zum Vollzuschuss zurückkehren, sodass die Empfänger:innen das Geld nicht zurückzahlen müssen.“
Vergleichbare Vorschläge kommen von den Bundestagsfraktionen: Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Kai Gehring, will „einen Neustart mit einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende“, die bedarfsunabhängig ausgezahlt wird. Es soll außerdem an den Bedarf gekoppelte Zuschüsse geben. Beide Zuschüsse müssten nicht zurückgezahlt werden. Auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek, will die Freibeträge erhöhen und weg vom Darlehensmodell – und macht Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verantwortlich für die schrumpfende Zahl der Empfänger:innen.
Karliczek hatte erst am Montag weitere Anpassungen beim Bafög versprochen. Sie will die Altersgrenze für Studierende verlängern und die Förderung nicht mehr automatisch mit der Regelstudienzeit enden lassen. Das sind gute Ideen, meint Carlotta Kühnemann vom fzs, kritisiert aber: „Das fordern wir seit Jahren. Und die CDU besetzt seit 2013 das Bildungsressort. Diese Vorschläge kommen also viel zu spät.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf