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Unterstützung für PflegeelternMehr Geld, mehr Geborgenheit

In Hamburg sollen Pflegeeltern nun besser finanziell unterstützt werden. Das soll dem starken Rückgang an Pflegefamilien entgegenwirken.

Wer die Pflege von Kindern übernimmt, braucht auch Spielzeuge – und damit Geld Foto: Uwe Anspach/dpa

Hamburg taz | In Hamburg werden zu wenig Pflegekinder aufgenommen. So konnten im Jahr 2023 mehr als die Hälfte der insgesamt 268 Kinder unter sieben Jahren, die auf eine Pflegeplatzvermittlung angewiesen waren, nicht in einem familiären Umfeld untergebracht werden. Laut Angaben der Sozialbehörde mussten sie stattdessen in Kinderschutzhäusern oder Wohngruppen leben – eine Lösung, die in vielen Fällen nicht die bestmögliche Betreuung und Geborgenheit bietet.

Um die Aufnahme von Pflegekindern attraktiver zu machen, gewährt Hamburg seit Anfang dieses Jahres mehr finanzielle Hilfen im Rahmen von „elterngeldähnlichen Sonderleistungen“ für Pflegeeltern. Auf das bundesweite Elterngeld haben Pflegefamilien nämlich keinen Anspruch. „Die Möglichkeit zur Aufnahme eines Pflegekindes sollte nicht vorrangig eine Frage der wirtschaftlichen Situation sein“, teilte Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) mit.

Tobias Strauß, der drei Pflegekinder aufgenommen hat, findet den Schritt „längst überfällig“. Als er mit seinem Partner vor sechs Jahren das erste Pflegekind aufgenommen hat, hätten sie im „Zwiespalt zwischen Arbeit und der Eingewöhnung des Kindes“ gestanden. Der Konflikt zwischen dem Beruf und der Forderung der Behörde, so viel Zeit wie möglich mit dem Kind zu verbringen, habe für eine hohe Belastung gesorgt.

Wenn man keinen entgegenkommenden Arbeitgeber habe oder die Möglichkeit, Geld oder Arbeitszeit anzusparen, um die Last abzufedern, seien es gerade für Menschen, die zum ersten Mal ein Pflegekind aufnehmen, besonders große Hürden, so Strauß.

1.000 Euro zusätzlich für Vollzeitpflege

Deshalb bekommen Vollzeitpflegeeltern, die ein Kind unter sieben Jahren unbefristet aufnehmen, seit dem 1. Januar 2025 monatlich 1.000 Euro zusätzlich, wenn sie, ähnlich der Elternzeit, ihre Berufstätigkeit bis zu zwölf Monate pausieren.

Auch der Erziehungskostenanteil für Bereitschaftspflegeeltern wurde auf 2.150 Euro erhöht. Die Erziehungskosten sind – neben dem Sachaufwand und pauschalierten Nebenleistungen für das Kind – ein Bestandteil der monatlichen Pflegegeldpauschale, der ausschließlich den Pflegeeltern für ihren besonderen Aufwand zur Verfügung steht. Diese Kurzzeitpflege ist besonders dann gefragt, wenn Kinder von einer Pflegefamilie aufgefangen werden müssen – bis geklärt wird, ob das Kind zu den leiblichen Eltern zurückkehren kann. Vor allem dann benötigen Kinder Stabilität und Bezugspersonen, bei denen sie einfach Kind sein können.

Ein besonderes Problem kommt in Großstädten wie Hamburg hinzu: Wohnraum ist oft rar und teuer. Vollzeitpflegefamilien sollten im Idealfall ein eigenes Kinderzimmer anbieten – einer der Gründe, woran eine Vermittlung scheitern kann.

„Kosten spielen immer eine Rolle“, sagt Sabine Scholz-Hinton vom gemeinnützigen Träger Pfiff. Auch das gesellschaftliche Klima und die Energiekrise sorgen laut Karen Dabels, Sprecherin des Hamburger Pflegeelternrats, für viel Verunsicherung. Potenzielle Pflegeeltern entschieden sich deshalb nach der ersten Infoveranstaltung oft gegen die Aufnahme eines Kindes.

20 Prozent weniger Pflegeeltern als 2017

Der starke Rückgang an Pflegefamilien sei auf die schlechten Sozialbedingungen zurückzuführen: Von 2017 bis 2023 ist laut Sozialbehörde die Anzahl der Pflegefamilien um rund 20 Prozent gesunken. Im Sommer 2024 lag die Anzahl bei 865 Pflegefamilien.

Um die Zahl wieder zu erhöhen, braucht es Pflegeeltern, die einen langwierigen Prozess durchlaufen wollen: von der ersten Infoveranstaltung über Schulungen bis zur vollständigen Qualifikation und dem Matching-Prozess, in dem geschaut wird, welches Kind zu welchen Eltern passt. Die neuen finanziellen Rahmenbedingungen würden zwar „nicht alle Probleme lösen, aber einen positiven Schritt machen, wofür viel gekämpft wurde“, meint Scholz-Hinton.

In Bremen werden Pflegeeltern im Rahmen eines Modellprojekts bereits seit August 2024, wie nun in Hamburg, gefördert. Das Modellprojekt ist bis 2029 festgeschrieben.

Seit 2020 gibt es die Pflegeeltern-Förderung in Hannover: Dort hat die elterngeldähnliche Leistung dazu geführt, dass sich jährlich sechs bis sieben Familien zusätzlich entschlossen haben, ein Pflegekind aufzunehmen, teilt der Landesjugendausschuss mit.

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