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Unterstützung für Ansaar InternationalBen-Hatiras „Wohltätigkeit“

Änis Ben-Hatira, Offensivspieler von Darmstadt 98, unterstützt den Verein Ansaar International. Dort bewegt er sich in einem Umfeld von Hetzern.

Von ihm wird gesagt, er habe eine soziale Ader: Änis Ben-Hatira Foto: imago/Jan Huebner

Änis Ben-Hatira ist ein großer Fan von Muhammad Ali. Er trägt gern T-Shirts mit dem Konterfei des großen Boxers, der, bevor er Muslim wurde, Cassius Marcellus Clay Jr. hieß. Zuletzt hat Ben-Hatira, den sie früher manchmal Fummelkönig genannt haben wegen seiner krassen Dribblings, auf seinem Twitter-Kanal eine kitschige Zeichnung gepostet, die den Faustkämpfer mit Blick zum Boden zeigt.

Auf Alis rechter Schulter ist ein großer Schmetterling gelandet, auf der linken eine Wespe. Das soll wohl Leichtigkeit und Gefahr symbolisieren. Sportler kennen sich damit aus, auch Änis Ben-Hatira, der seit ein paar Monaten bei Darmstadt 98 in der Offensive kickt, dem Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga.

Ben-Hatiras Leitmotiv geht so: „I know where I’m going and I know the truth, and I don’t have to be what you want me to be!!! I’m free to be what I want to be!!!“ Das Zitat stammt von Ali, die vielen Ausrufezeichen hat Ben-Hatira gesetzt. Ich muss nicht der sein, den ihr in mir sehen wollt. Ich bin frei darin zu sein, was ich sein will.

Aber mit der trotzigen Selbstbestimmtheit ist das so eine Sache. Das hat Ali erfahren. Und auch Ben-Hatira, der freilich ein ganz anderes Kaliber ist als Ali, weiß seit ein paar Wochen, wie sich das anfühlt, wenn man Entscheidungen trifft, die kritisch gesehen werden. Ben-Hatira engagiert sich für die Organisation Ansaar International.

Wassertruck für Gaza

Ansaar wurde 2012 in Düsseldorf gegründet. An der Spitze steht ein ehemaliger Rapper, Joel Kayser. Abdurahman nennt er sich heute. Ansaar sammelt Spenden, nach eigenen Angaben über 5 Millionen Euro seit Bestehen, und schickt sie hauptsächlich in die muslimische Welt, nach Syrien, Somalia oder in den Gazastreifen. Das klingt erst einmal gut, und auch Ben-Hatira will Armen und Benachteiligten helfen.

Der Fußballer hat Geld für einen Wassertruck in Gaza gespendet. Sein Bild prangt groß auf dem Lkw. Leute vor Ort preisen die Großherzigkeit des Wohltäters. Zu Weihnachten ist Ben-Hatira nach Ghana geflogen und hat dort einen „Friedensbrunnen“ eingeweiht. Er soll ein Zeichen der Versöhnung zwischen Christen und Muslimen sein. Man sieht auf einem YouTube-Video, wie sich kleine Ghanaer begeistert auf den Profifußballer aus Deutschland stürzen. Sie skandieren „Ansaar“. Abdurahman ist auch dabei.

Das erinnert an die Begeisterung von jungen Straßenkickern aus Berlin, die in Änis Ben-Hatira ein Vorbild erkannten, einen, der es geschafft hat, heraus aus dem Wedding und Reinickendorf, hinein in eine Welt des Erfolgs und des Geldes. Der Verein Mitternachtssport hatte Ben-Hatira, der, ähnlich wie Kevin-Prince Boateng oder Marcel Ndjeng, in einem schwierigen Umfeld in Berlin groß geworden ist, zum „großen Bruder“ gemacht. Ein Vorbild zum Anfassen.

Der Chef von Mitternachtssport, Ismail Öner, sagt noch heute, dass Ben-Hatira sich mit „unfassbarem Engagement und Herzblut“ eingebracht habe in die Vereinsarbeit. „Wir konnten immer auf ihn zurückgreifen, er hat eine große soziale Ader“, sagt Öner. Aber seit seinem Wechsel zur Frankfurter Eintracht und dann nach Darmstadt sei die Verbindung abgerissen. „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Öner, der mit seinem Projekt 2013 den Integrations-Bambi gewonnen hat, bedauert das. Zu Ben-Hatiras Engagement bei Ansaar will Ismael Öner lieber nichts sagen. Zu heikel, die Sache.

Das könnte daran liegen, dass Ansaar International in Verfassungsschutzberichten genannt wird, zum Beispiel im Bericht des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2015. Darin heißt es, Ansaar sei „fest mit der deutschen Salafisten-Szene verwoben“. Und weiter: „Das Streben nach Anerkennung als gemeinnützige Organisation ist als Teil eines vordergründigen Legalisierungskurses zu verstehen. Im Internet finden sich keinerlei Distanzierungen zu ex­tre­mistisch-salafistischen Predigern oder den Inhalten ihrer Predigten. Eine Distanzierung vom sogenannten Islamischen Staat geht einher mit der grundsätzlichen Bejahung der vom IS abgespaltenen und heute al-Qaida-nahen Gruppierung Jabhat al-Nusra.“ Wegen dieser Erkenntnisse wurde Ansaar International mittlerweile die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Wie die taz bereits 2015 berichtete, waren die Hassprediger Muhamed Seyfudin Ciftci alias Shaik Abu Anas und Ahmad Armih alias Ahmahd Abul Baraa zu Ansaar-Veranstaltungen eingeladen. Nach Informationen des Watchblogs Erasmus Monitor begleitete im Jahr 2013 ein mittlerweile bekannter Terrorunterstützer Ansaar International auf einer Reise nach Syrien: Mirza Tamoor B., bekannt auch als „Bruder Timur“. Er wurde inzwischen angeklagt wegen des Vorwurfs der Unterstützung der terroristischen Vereinigungen Ahrar al-Sham, Junud al-Sham und Islamischer Staat.

Ansaar gibt vor, aus Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. „Wir haben in vier Jahren eine Entwicklung genommen“, sagte Ansaar-Chef Kayser auf einer Pressekonferenz im Vorjahr, „zum Beispiel: Mit wem gehen wir auf eine Reise?“ Die Nähe zu politischen Obskuranten und notorischen Antisemiten beziehungsweise Antizio­nisten ist aber geblieben. Der Aktivist Martin Lejeune etwa moderierte im Vorjahr diese erste Pressekonferenz von Ansaar. Lejeune gibt sich als großer Erdoğan-Freund zu erkennen; den Umbau der Türkei in einen autokratisch geführten Staat heißt er gut. Die Erschießung von 18 angeblichen Kollaborateuren durch die Terrororganisation Hamas fand er im Jahr 2014 „ganz legal“, der Umgang mit den Familien der Ermordeten sei „sehr sozial“ abgelaufen.

Als im Vorjahr in Israel große Waldbrände wüteten, postete Lejeune: „Was in Israel passiert, sind keine normalen Brände. Das ist die Strafe Gottes für das Verbot des Gebetsrufes!“ Selbst nach den verbalen Entgleisungen hält die Spitze von Ansaar International Lejeune für „authentisch“, wie Joel Kayser auf einer Pressekonferenz im Dezember 2016 sagte.

Es ist der Hass auf Israel, der Personen aus vermeintlich entgegengesetzten politischen Lagern zusammenschweißt. So unterstützte Ansaar International den Pegida-Redner Curd Schumacher mit einer Geldspende. Eine Nähe besteht auch zu dem eher linkslastigen Blog Killuminati, wo sich systemkritische und verschwörungstheoretische Ansätze vermischen.

taz.am wochenende

Tablets im Klassenzimmer, aber marode Klos. Die Deutschen, Hygieneweltmeister und Erfinder aller Sekundärtugenden, lassen die Toiletten ihrer Kinder verrotten. Was Schüler, Eltern, Urologen, Putzfrauen dazu sagen: der große Schulklo-Report in der taz.am wochenende vom 21./22. Januar 2016. Außerdem: Ein Besuch bei den Nazijägern in der Zentralen Stelle in Ludwigsburg. Und: Eine Nachbetrachtung der Urwahl bei den Grünen. Das alles und noch viel mehr – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

In diesem obskuren Umfeld bewegt sich Änis Ben-Hatira. Wenn man sich auf seiner Facebook-Seite etwas genauer umschaut, dann scheint sich der Fußballprofi in dieser Runde aus Rechtsideologen, Islamisten und linken Israelfeinden, inmitten dieser Querfront also, nicht unwohl zu fühlen. Als ein Besucher von Ben-Hatiras Seite, ein gewisser Seyfullah Idris, in einem Kommentar gegen einen „dreckigen Zionisten-Hund“ wettert, likte Änis Ben-Hatira diesen Beitrag.

Ein „zionistisches Apartheidregime“ fungiere als „Handlanger des Westens“, verkündet derweil Ansaar International. Kayser hetzt überdies gern gegen „die drei zionistischen Familienclans Springer, Mohn und Bertelsmann“, welche die „Mainstreammedien unter Kontrolle halten“.

„Unter alle Schublade“

Kein Wunder, dass Ansaar International sich immer wieder von einer „Lügenpresse“ verfolgt und verunglimpft fühlt. Kritische Berichterstattung münde, so die Klage, stets nur in eine „groß angelegte Verleumdungskampagne“, sie sei voller „leerer Phrasen“ – oder einfach nur „rassistisch“. Außerdem werde, so wird kurioserweise behauptet, ja auch Uli Hoeneß vom Verfassungsschutz beobachtet. Nach dem gleichen Muster der böswilligen Unterstellung laufe auch die Berichterstattung über Ben-Hatiras Verbindungen zu Ansaar, giftet Joel Kayser. „Unter alle Schublade“, findet er das, in etwas holprigem Deutsch. „Der Brunnen [von Ben-Hatira] ist doch ein Zeichen des Friedens, aber das lässt sich in diesem Land nicht gut verkaufen.“

Ben-Hatiras Verein, Darmstadt 98, hat klargemacht, dass man sich „gegen rassistische, verfassungs- und fremdenfeindliche Bestrebungen“ wende. Die Presseabteilung stellte ein Interview mit dem Spieler ins Netz, in dem er sich als unpolitischer Wohltäter präsentiert. Hertha-Fans nahmen ihm das nicht ab und schrieben in ihrem Forum über „Änis Self-Scharia“. Der habe sich ja schon bei Hertha nicht benehmen können, als er seinem Mitspieler Mitchell Weiser ein blaues Auge gehauen hat.

Die Reaktion der „Lilien“, wie die 98er auch genannt werden, schmeckt dem Darmstädter Grünen-Politiker Philip Krämer nicht: „Ein Bundesliga-Spieler verleiht Ansaar ein seriöses Image, was diesem Verein nicht zusteht.“ Wenn sich Darmstadt 98 nicht bald „weitreichend“ distanziere, dann führe das zu einem „Imageverlust“. Sein CDU-Kollege Roland Desch, ehemaliger Chef der hessischen Verfassungsschützer, vermisst eine „eindeutige Positionierung“ des Klubs, bis hin zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen. „Darmstadt ist eine weltoffene Stadt. Es ist abträglich, wenn die Insignien des Vereins, der sich auch als Repräsentant und Werbeträger für die Stadt bezeichnet, von Mitgliedern einer ex­tremistischen Organisation, die gegen Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker steht, getragen und zur Schau gestellt werden.“

Wenn sich Darmstadt 98 nicht bald weitreichend distanziert, führt das zu einem Image­verlust des Vereins

Grünen-Politiker Philip Krämer

Der FDP-Politiker Tobias Huch, der den arabischen Raum oft bereist und sich intensiv mit Ansaar International auseinandergesetzt und auch vor Gericht gestritten hat, sagt: „Da sind viele Salafisten und Antisemiten im Umfeld des Vereins aktiv. Selbstverständlich sollte sich der Spieler von diesem umstrittenen Verein distanzieren. Da dieser Spieler dies jedoch nicht machen wird, wäre der Rauswurf aus der Mannschaft ein geeignetes Mittel.“

Abmahnung oder gar ein Rauswurf? Muhammad Ali wurde nach seiner Weigerung, für die USA in den Vietnamkrieg zu ziehen, die Boxlizenz entzogen. Gut möglich, dass „The Grea­test“ in diesen Tagen für Änis Ben-Hatira noch ein bisschen größer geworden ist.

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