Unterfinanzierte Krankenkassen: Von wegen Tsunami

Die Krankenkassenbeiträge werden steigen müssen. Es wird Zeit, das ehrlich zu diskutieren- und über faire Verteilung nachzudenken.

Karl Lauterbach und Christian Lindner.

Das Gesundheitssystem kostet: Besundheitsminister Lauterbach und Finanzminister Lindner Foto: Kay Nietfeld/dpa

Da ist sie wieder, die Maximalrhetorik, die komplexe Verteilungsprobleme zudröhnt und von politischen Prot­ago­nis­t:in­nen verlangt, Geld vom Himmel regnen zu lassen. Diesmal geht es um die Finanzierungslücke der Krankenkassen. Nach Einschätzung des Münchner Instituts für Gesundheitsökonomik droht der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr ein Defizit von 25 Milliarden Euro. Wie soll diese Lücke gestopft werden? Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse jetzt gemeinsam mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den 70 Millionen Versicherten die Frage beantworten, „ob und wie er den drohenden Beitragstsunami verhindern will“. Das sagt Andreas Storm, Chef der Krankenkasse DAK, früher mal Gesundheitspolitiker der CDU.

Solche Sprüche sind komplette politische Regression. Natürlich steigen die Gesundheitskosten. Wie anders sollte es auch sein in einer alternden Gesellschaft, in der steigender Bedarf, medizinischer Fortschritt, höhere Personalkosten und jetzt auch noch steigende Preise immer mehr Geld verschlingen? Die Frage lautet eher, wie die Mehrkosten am fairsten verteilt werden können.

Lauterbach handelt korrekt, wenn er höhere Beiträge für die Gesundheitsversorgung ankündigt. Höhere Beiträge auf den Arbeitslohn haben den Vorteil, dass sie erstens einkommensabhängig sind und zweitens paritätisch, dass sich daran also auch die Arbeitgeber zur Hälfte beteiligen müssen.

Diese Parität war vor mehr als 15 Jahren mal aufgehoben worden, die gesetzlich Versicherten mussten alleine Sonder- und Zusatzbeiträge tragen. Ab 2019 wurde die hälftige Finanzierung wieder hergestellt. Das Argument für die Aufhebung der Parität damals lautete: Hohe Sozialbeiträge für die Arbeitgeber treiben Personalkosten in die Höhe und kosten Jobs. Dieses Argument aus Zeiten der Massenarbeitslosigkeit gilt nicht mehr, Personal wird gesucht, dank der Demographie. Die Parität muss bleiben. Die Alterung der Gesellschaft verschärft aber eben auch Verteilungsfragen und in der Gesundheitsversorgung sind neben höheren Beiträgen auch mehr Steuermittel nötig. Woher dieses Steuergeld kommen soll, das wird und muss uns noch ehrlich beschäftigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.