Unterdrückung im Kongo: Gefolterte Regimekritiker
Die Internationale Menschenrechtsorganisation prangert Folter von Regimekritikern in der Demokratischen Republik Kongo an. Die Methoden erinnern an die Mobutu-Diktatur.
BERLIN taz | Die Regierung des gewählten Präsidenten Joseph Kabila in der Demokratischen Republik Kongo führt gegen unabhängige Stimmen im Land eine "gigantische Repressionskampagne", um "alle, die sich noch trauen zu kritisieren oder zu opponieren, ob Parlamentarier, Richter, politische Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Studenten oder einfache Bürger, mundtot zu machen". Die dabei angewendeten Methoden von Folter, wahllosen Verhaftungen und Verschwinden lassen erinnern an die schlimmsten Zeiten der Mobutu-Diktatur im ehemaligen Zaire.
Zu dieser Einschätzung kommt die internationale Menschenrechtsorganisation FIDH (Fédération Internationale des Droits de l'Homme) in einem am Freitag veröffentlichten Bericht. "Es scheint, dass die Regierung zu allen Mitteln greift, um abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen", schreibt die FIDH. "Die vielen Vergleiche, die unsere Gesprächspartner zwischen den Methoden der Staatsmacht und denen zur Zeit von Mobutu anstellen, laufen einem kalt den Rücken herunter".
Mlumba Kapepula nahm in der südlichen Metropole Lubumbashi am 16. März an einer Demonstration streikender Eisenbahner teil. Dort kritisierte er, dass der Präsident der kongolesischen Fußballnationalmannschaft hohe Siegesprämien zahle, während die Eisenbahner seit drei Jahren auf ihre Gehälter warteten. Er wurde in die lokale Zentrale des Geheimdienstes ANR verschleppt, wo man ihn auspeitschte, mit Elektroschocks folterte, in den Bauch biss und seine Genitalien zerquetschte, bis er ohnmächtig wurde.
Nach einer Notoperation in einer Klinik wurde er in die Hauptstadt Kinshasa zum Verhör wegen "Beleidigung des Staatschefs" gebracht und dann wieder zurück nach Lubumbashi, wo er am 5. Juni freigesprochen wurde - nach fast drei Monaten Haft.
Die wichtigsten Menschenrechtler der Hauptstadt Kinshasa wurden am 15. März, auf dem Höhepunkt eines Machtkampfes zwischen Präsident Kabila und dem damaligen Parlamentspräsidenten Vital Kamerhe, ohne Haftbefehl festgenommen und in die ANR-Zentrale im Stadtzentrum gebracht, laut FIDH "in einem offenen Fahrzeug, dessen Fahrer eine Pistole auf den Gegenverkehr richtete".
Der Studentenaktivist Zelence Idambo, dem man vorwarf, von Kamerhe Geld bekommen zu haben, landete im Polizeigefängnis Lufungula. Dort lebten rund 30 Häftlinge in einer Zelle auf 40 Quadratmetern, wo sie "wie Sardinen" auf dem nackten Boden schliefen, der als Toilette diente.
Bereits 2008 hatte "Human Rights Watch" der Regierung Kabila vorgeworfen, Hunderte Oppositionelle bei der Niederschlagung eines Aufstandes im Westen des Kongo sowie der bewaffneten Kräfte des Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba getötet zu haben. FIDH spricht von generalisierter Straflosigkeit und verweist darauf, dass ihr Bericht sich nicht mit der Lage im Osten des Landes befasst, wo weiter Krieg herrscht und alle Seiten schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen.
FIDH ist die wohl respektierteste internationale Menschenrechtsorganisation im Afrika der Großen Seen. Sie war 1993, ein Jahr vor dem Völkermord an Ruandas Tutsi, die erste gewesen, die öffentlich von Vorbereitungen zum Genozid sprach. Ihre jetzige Untersuchung im Kongo hat sie mit drei kongolesischen Menschenrechtsgruppen durchgeführt.
Auch diesmal richtet sie mahnende Worte an die Weltgemeinschaft: "Die internationale Gemeinschaft scheint immer noch nicht auf das Ausmaß der Schwere der Menschenrechtsverletzungen reagieren zu wollen. Sie unterstützt die Machthaber noch immer uneingeschränkt."
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