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AnalyseUnten durch

■ Ob Staatsbürgerschaftsrecht oder 610-Mark-Jobs: Die FDP ist alleine

Die FDP kriegt's zur Zeit von allen Seiten. Weil sie die einzige Partei im Deutschen Bundestag ist, die eine Reform der sozialversicherungsfreien 610-Mark-Jobs ablehnt, werfen ihr SPD und Bündnisgrüne vor, eine Blockadepartei zu sein. Auch die CDU murrt. Weil sich die Liberalen im Streit um die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts nicht trauen, gemeinsame Sache mit SPD und Bündnisgrünen zu machen, muß sie sich von ihnen vorwerfen lassen, nicht für ihre Überzeugungen einzustehen. Für die Union wiederum ist der Koalitionspartner schon aufmüpfig genug.

Und als Partei, die sich für eine Absenkung des Solidaritätszuschlags stark gemacht hat, ist die FDP ohnehin bei allen anderen Parteien unten durch. Fehlt nur noch, daß die Mehrheit ihrer Mitglieder bei der geplanten Mitgliederbefragung für eine Abschaffung der Wehrpflicht stimmt.

Trotz alledem: Abgeschrieben ist die FDP damit noch lange nicht. Ihre Haltung im Streit um die 610-Mark-Jobs ist zwar in Politikerkreisen unpopulär, weil diese den Staat Geld kosten, die Mehrheit der Bevölkerung sieht das aber offenbar anders. Nach einer Forsa-Umfrage plädieren 55 Prozent der Deutschen für eine Beibehaltung der 610-Mark-Jobs. Eine Fünfprozentpartei wie die FDP liegt damit gut im Soll.

Es klingt ja auch wenig überzeugend, was die anderen zu bieten haben. Die SPD wartet mit mehreren Reform-Varianten auf (unter anderem Abschaffung, Senkung der Einkommensgrenze, Quotierung auf 10 Prozent, Versicherungspflicht nur für Zweit-Jobs).

Die FDP bleibt dagegen immerhin konsequent auf ihrem Kurs, zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft zu vermeiden, wie sie auch konsequent die Solisenkung gegen alle anderen durchgeboxt hat. Das mag angesichts der Haushaltsmisere falsch gewesen sein, stärkt aber ihre Profil als Korrektiv ihres Koalitionspartners im Wahlkampf.

Der Vorwurf, nur eine Partei der Besserverdienenden zu sein, zieht auch nicht wie bisher. Je heftiger die Union gegen eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts zu Felde zieht, desto stärker kommt in diesem Fall die liberale Einstellung der FDP zutage. Zwar kniff sie bisher immer, wenn es darum ging, mit der Opposition gemeinsame Sache zu machen, aber dafür wird mancher Verständnis haben. Die FDP ist nun mal ein kleiner Koalitionspartner. Für ein paar Zugeständnisse der Union in der Frage des Staatsbürgerschaftsrechts wird es schon reichen. Zudem hat die FDP ein paar Pfeiler im Köcher, die zwar nicht von überragender Bedeutung sind, die aber helfen können, das Bild einer fortschrittlichen Partei zu prägen. Dazu gehören ihre Vorstellungen von einer Liberalisierung der Drogenpolitik sowie von der Einführung eines Bürgergeldes, das die vielen Einzelleistungen für Bedürftige ersetzen soll. Verlaß ist auf die FDP in diesen Fragen nicht. Beim Großen Lauschangriff ist sie unter den Tränen der ehemaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auch schon eingeknickt. Aber das ist die SPD auch. Markus Franz

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