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KAJ über den ESC„Unsere Eltern mussten uns zu den ersten Gigs fahren“

Das Trio KAJ vertritt Schweden auf dem ESC. Im Song „Bara Bada Bastu“ geht es – Achtung, Klischee-Alarm – ums Saunieren.

Kevin, Axel, Jakob (KAJ) lieben Saunieren und Musizieren Foto: Erik-Åhman
Klaudia Lagozinski
Interview von Klaudia Lagozinski

taz: Kevin, Axel, Jakob, mit „Bara Bada Bastu“ nehmt ihr am diesjährigen ESC teil. In eurem Song geht es ums Saunieren. Wann wart ihr zuletzt in der Sauna?

Axel: Es ist viel zu lang her. Wir sind in einer Art Krise, mit Entzugserscheinungen und allem Drum und Dran. Als wir unsere Tour beendeten, in Vörå, unserer finnischen Heimatstadt, waren wir das letzte Mal in der Sauna. Vor zwei Wochen.

Jakob: Wir fühlen uns dreckig.

Axel: Aber jetzt ändert sich das! Unsere Heimatstadt hat uns eine Sauna vorbeigebracht.

Im Interview: KAJ

ist ein finnlandschwedisches Comedy- und Musiktrio aus der Gemeinde Vörå in der Region Österbotten, Finnland. Die Gruppe besteht aus Kevin Holmström, Axel Åhman und Jakob Norrgård, deren Anfangsbuchstaben den Bandnamen bilden. Gegründet wurde KAJ im Jahr 2009. Sie treten mit „Bara Bada Bastu“ im diesjährigen Eurovision Song Contest für Schweden an.

taz: Wie, aus Vörå nach Basel?

Axel: Ja, sie haben eine richtige Sauna von Finnland bis in die Schweiz geschleppt.

taz: Gerade laufen die Proben für euch. Bei den bisherigen Performances grillt ihr am Anfang des Songs eine Wurst im Feuer. Ist sie echt und kommt sie auch auf die ESC-Bühne?

Kevin: Ja, absolut ist die echt. Sie trägt zur Stimmung und zu den Gefühlen auf der Bühne bei. Sie gehört zum Erlebnis, auch bei den Proben – allein schon wegen des Geruchs. Es ist wichtig, dass der Song mit dem Grillen beginnt.

taz: Als KAJ tretet ihr mit eurem Song „Bara Bada Bastu“ für Schweden an, obwohl ihr in Finnland geboren seid. Wie kam es dazu?

Jakob: Melodifestivalen, die Veranstalter vom nationalen schwedischen Vorentscheid, haben uns angeschrieben und gefragt, ob wir einen Song einreichen wollen.

Kevin: Sie hatten unsere Videos gesehen, unsere Musik gehört und fanden, dass unser Konzept zu ihrem Wettbewerb passt.

Axel: Wir hatten anfangs einen anderen Demo-Song, thematisch nah an „Bara Bada Bastu“ dran. Einige Zeilen haben wir behalten, aber musikalisch ging es letztendlich in eine andere Richtung – ursprünglich war es eher rockig.

taz: Tretet ihr in Wirklichkeit für Schweden an, um Käärijäs zweiten Platz von 2023 für Finnland zu rächen? Immerhin gewann er das Publikumsvotum, unterlag aber am Ende wegen der Jury doch Loreen aus Schweden.

Jakob: Vielleicht. Bestimmt würde Käärijä „Ja“ sagen, wenn man ihn fragen würde. Wir verneinen es auch nicht …

Axel: Es ist ein Inside-Job! Ein Masterplan. Nein, im Ernst: Melodifestivalen hat uns gefragt.

taz: Im nationalen Vorentscheid in Schweden seid ihr auf Platz Eins gelandet, knappe 7 Punkte vor dem schwedischen ESC-Sieger Måns Zelmerlöw, der 2015 mit „Heroes“ gewonnen hatte. Was ging euch in dem Moment durch den Kopf?

Kevin: Kurz bevor das Ergebnis verkündet wurde, meinte jemand hinter uns, dass er nachgerechnet hat und wir auf dem zweiten Platz gelandet sind. Wir wären auch damit superhappy gewesen. Mit diesem Gedanken gingen wir in die Verkündung. Dass wir dann doch Erster waren, war kompletter Schock.

Jakob: Es fühlte sich surreal an, wie eine Probe. Das konnte nicht das echte Ergebnis sein, dachte ich. Danach hatte ich kurz einen kompletten Blackout.

Axel: Bei mir hat’s auch kurz gedauert. Ich bekam so einen Schockhusten – das sieht man auch im Video.

taz: Ihr habt als finnlandschwedische Comedians angefangen. Wie kam es dazu?

Jakob: Erst nahmen wir ein paar Sketche auf und luden sie auf Youtube hoch. Und kurz darauf hatten wir unseren ersten Auftritt. Dafür brauchten wir Songs. Also haben wir zwei oder drei geschrieben. Ein Gig führte zum nächsten. Wir haben bescheiden in Vörå, unserem Heimatdorf in Nordfinnland, angefangen und sind dann nach und nach gewachsen. Ich glaube, genau das war auch gut so. Und 15 Jahre später sind wir beim ESC.

taz: Ihr wart damals Teenager, 15, 16 Jahre alt.

Jakob: Fühlt sich aber an wie gestern.

taz: Wie fanden das eure Eltern damals?

Axel: Meine waren sehr unterstützend. Mein Vater war selbst Musiker. Unsere Eltern fuhren uns zu unseren Gigs, weil wir noch keinen Führerschein hatten.

Jakob: Meine Eltern waren erst unsicher – sie sind selbst keine Musiker. Aber dann standen sie voll hinter mir, als sie merkten, dass ich dafür brenne.

taz: Die meisten außerhalb von Finnland haben wahrscheinlich noch nie von Vörå gehört. Was sollte man über euer Heimatdorf wissen?

Unsere Muttersprache ist Schwedisch, mit einzigartigem Dialekt, in dem wir auch singen

Jakob von KAJ

Kevin: Es liegt am Meer – perfekt zum Schwimmen. Es ist ruhig, ländlich. Gut zum Entspannen oder für Sport wie Skilanglauf, selbst im Sommer – mit Skiern auf Rollen. Wer die richtigen Leute kennt, kann dort auch Elch probieren.

Jakob: In Vörå leben sehr viele Finnlandschweden. Unsere Muttersprache ist Schwedisch, mit einzigartigem Dialekt, in dem wir auch singen. Dabei sind viele Vokale nebeneinander. „Otroligt roligt“ (unglaublich lustig) wird bei uns zum Beispiel zu „otroli trollit“.

taz: Vor dem ESC seid ihr meistens in Finnland und Schweden aufgetreten. Gibt es Unterschiede beim Humor zwischen dem schwedischen und finnischen Publikum?

Jakob: In Schweden kommen Witze über Finnen immer gut an, in Finnland Witze über Schweden. Als schwedischsprachige Minderheit kennen wir beide Kulturen sehr gut. Das hilft.

Axel: Wir passen Comedy-Shows auch lokal an – zum Beispiel hatten wir bei unserer Tour ein Lied über unseren Heimatort, und für jede Stadt schrieben wir eine neue Strophe.

taz: Und nun tretet ihr bald mit Musikern aus verschiedenen Ländern in Basel auf. Wer sind eure ESC-Favoriten?

Axel: Erika Vikman („Ich komme“) aus Finnland!

Kevin: „Hallucination“ von Sissal aus Dänemark ist mein Ohrwurm. Dieses Jahr gibt’s viele gute Songs.

Jakob: Ich mag Miriana Conte aus Malta sehr.

taz: Miriana Contes Performance ging auf Tiktok viral, ebenso euer Tanz zu „Bara Bada Bastu“. Wer hat sich den eigentlich ausgedacht?

Axel: Jenny Widegren – eine legendäre schwedische Choreografin und Tänzerin. Sie ist schon lange bei Melodifestivalen

Jakob: Sie erfuhr von anderen, dass ihr Tanz viral geht, weil sie selbst nicht auf Tiktok ist.

taz: Habt ihr Bühnenrituale?

Axel: Nach der Show haben wir kein festes Ritual. Wir setzen uns einfach für einen Moment hin, schweigen uns an und trinken Wasser. Und nach einer Minute oder so sprechen wir darüber, was auf der Bühne abging.

taz: Ihr nehmt euch einen Moment der Stille, um alles zu verarbeiten?

Kevin: Ja, der Adrenalinschub ist enorm. Man braucht erst mal etwas Zeit für sich, bevor man wieder unter Leute gehen kann.

Jakob: Vor dem Auftritt machen wir immer ein „Herr der Ringe“-Ritual, kurz bevor wir auf die Bühne gehen. Es stammt aus der Szene im Rat von Elrond, in der alle nacheinander sagen: „Du hast mein Schwert“, „… und meinen Bogen“, „… und meine Axt“ – und dann gehen sie nach Mordor. Genau das machen wir auch – nur dass wir die Gegenstände austauschen – und dann geht es auf die Bühne.

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