Unruhen in Thailand: Bangkok bebt
Die Ministerpräsidentin steht unter Korruptionsverdacht. Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten starben vier Menschen, etwa 60 weitere wurden verletzt.
BANGKOK ap/dpa | Die von monatelangen Protesten heftig bedrängte thailändische Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra steht nun offiziell unter Korruptionsverdacht. Die staatliche Anti-Korruptions-Behörde warf ihr am Dienstag Fehlverhalten im Umgang mit teuren Reissubventionen vor.
Folge könnte ein Amtsenthebungsverfahren sein. Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten in der Hauptstadt Bangkok starben vier Menschen, über 60 weitere Personen wurden verletzt.
Die Nationale Anti-Korruptions-Kommission erklärte, die Regierung habe das Subventionsprogramm für Reis fortgesetzt, obwohl Experten darauf hingewiesen hätten, dass es möglicherweise unwirtschaftlich und anfällig für Korruption sei. Den Angaben zufolge wurde Yingluck für den 27. Februar einbestellt, um die Vorwürfe gegen sie zu hören.
Sollte die Kommission entscheiden, den Fall an den Senat für eine mögliche Amtsenthebung zu übergeben, dürfte die Regierungschefin ihren Amtspflichten bis zum Beginn eines Verfahrens nicht mehr nachgehen.
In der Nähe von Yinglucks Büro waren am Dienstag mehrere Schüsse zu hören. Dort hatten Bereitschaftspolizisten damit angefangen, Demonstranten zu vertreiben und eine errichtete Bühne abzubauen. Wer das Feuer eröffnete, war zunächst unklar.
Gewalt unter dem Regierungsmotto „Frieden für Bangkok“
Nach Angaben des örtlichen Rettungsdiensts starb ein 52-jähriger Mann an einer Kopfverletzung. Zudem sei ein Polizeibeamter einer Wunde in der Brust erlegen. Auch die beiden weiteren Todesopfer fielen Schüssen zum Opfer, wie der staatliche Sender MCOT berichtete. Über 60 Menschen wurden verletzt.
Unmittelbar vor der Eskalation war die Polizei massiv gegen Protestlager vorgerückt. 25 000 Polizisten waren am Morgen mit Schlagstöcken und Tränengas ausgerückt, um Lager auf Straßenkreuzungen zu räumen, die die Demonstranten seit Wochen besetzt halten.
Am Energieministerium im Norden der thailändischen Hauptstadt wurden rund 100 campierende Demonstranten von Beamten umzingelt, in Lastwagen gezerrt und fortgebracht, wie Protestführer Rawee Matchamadon berichtete.
Auf Bildern des Fernsehsenders Tnews war zu sehen, wie sich dort Aktivisten widerstandslos abführen ließen. Sie würden in einer Wache verhört, sagte Matchamadon.
Unter dem von der Regierung ausgegebenen Motto „Frieden für Bangkok“ rückte auch andernorts ein Großaufgebot von Tausenden Polizisten mit Spezialeinheiten gegen Protestlager aus. Unweit der auf einem Hügel gelegenen Tempelanlage Wat Saket kesselten die Beamten weitere Regierungskritiker ein.
Mit Bulldozern gegen Demokraten
Mit Bulldozern wurde eine von den Demokraten gebaute Bühne weggeräumt. Dabei waren Schüsse zu hören. Im Regierungsviertel setzte die Polizei Tränengas ein. Demonstranten attackierten die Beamten mit Wurfgeschossen.
Seit Ende 2013 blockieren Gegner von Yingluck wichtige Kreuzungen und Zufahrtsstraßen zu Regierungsgebäuden. Die Demonstranten fordern den Rücktritt der Regierungschefin und die Schaffung eines Volksrats, der Reformen gegen Korruption einleiten soll.
Bis vor kurzem hatte die Polizei aus Furcht vor Gewalt noch von einem Vorgehen gegen Demonstranten abgesehen. Doch am Montag kündigte eine Spezialeinheit der Sicherheitskräfte anh, fünf Protestlager in Bangkok räumen zu wollen.
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