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Unruhen in KeniaTote und Verletzte nach Protesten

In Kenia sind die Demonstrationen zum Jahrestag der Massenproteste eskaliert. Mindestens 16 Menschen starben, die meisten durch Polizeigewalt.

Brutal gehen Polizisten gegen Demonstranten in Nairobi vor Foto: Gerald Anderson/Anadolu/imago

Kampala taz | 16 Tote, über 400 Verletzte und mehr als 60 festgenommene Demonstranten – das ist die traurige Bilanz der landesweiten Massenproteste in Kenia am Mittwoch. Die Jugendbewegung Generation Z hatte zum Jahrestag der Proteste im Juni vergangenen Jahres zu einem landesweiten Trauermarsch aufgerufen. Sie wollten der über 50 Aktivisten gedenken, die im Juni 2024 bei den Massenprotesten von Sicherheitskräften getötet worden waren.

Zunächst verlief alles recht friedlich. Es wurden Kränze und Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und gebetet. Dann marschierten in fast allen Großstädten des Landes Vertreter der Generation Z los, mit Spruchbändern, Vuvuzelas und der Nationalflagge, um gegen die jüngsten gewalttätigen Übergriffe der Polizei gegen sie zu demonstrieren. Vor zwei Wochen erst war ein verhafteter Aktivist und Blogger in einer Polizeizelle auf Befehl des Vizepolizeichefs zu Tode geprügelt worden.

Kenias Sicherheitsapparat war auf die Proteste zum Jahrestag vorbereitet, hatte das Regierungsviertel in der Hauptstadt Nairobi abgeriegelt und landesweit Straßensperren errichtet, um die Demonstrierenden aufzuhalten. Doch im Laufe des Vormittags ballten sich landesweit teilweise so viele Menschen zusammen, dass die Polizeieinheiten von der reinen Masse an Jugendlichen schier überwältigt wurde.

Gegen Mittag ordnete Kenias Kommunikationsbehörde alle Radio- und TV-Sender an, die Live-Übertragungen einzustellen. Als viele Medienhäuser dieser Anordnung nicht nachkamen, schaltete die Regierung kurzerhand landesweit die TV-Verbindungen und Radiofrequenzen ab. Dies heizte die Wut der Menge gegen die Regierung weiter an. Protestierende zündeten daraufhin Polizeifahrzeuge an, plünderten Supermärkte und zogen in großen Mengen zu Polizeiwachen. Jenseits der Hauptstadt gingen einige davon in Flammen auf.

Die Menge dreht vor dem Präsidentenpalast ab

Auch das Gebäude der Telekommunikationsbehörde und sogar den Sitz des Präsidenten, der von Soldaten bewacht wird, versuchte die aufgebrachte Menge zu stürmen. Doch Präsident William Ruto hielt sich gar nicht in Nairobi auf, sondern nahm in der Küstenregion Kilifi an einem Trauergottesdienst teil. „Wir sollten den Frieden nicht mit Protesten zerstören, denn wir haben kein anderes Land, wo wir hingehen können, wenn alles kaputt ist“, mahnte er. „Es ist unsere Verantwortung, unser Land sicher zu machen“, so Ruto in seiner Rede in Kilifi. Die Menge in Nairobi drehte letztlich vor dem Präsidentensitz ab.

Die Proteste der Generation Z haben weit über Kenias Grenzen hinaus Einfluss

Laut Angaben von Kenias Menschenrechtskommission und Amnesty International vom Mittwochabend wurden über hundert Menschen mit Schusswunden in Krankenhäuser eingeliefert – einige davon befinden sich in Lebensgefahr. Demnach kann sich die Zahl der Toten noch erhöhen. „Die meisten wurden von der Polizei getötet“, sagte Irungu Houghton, Direktor von Amnesty International in Kenia. Unter den Verletzten seien auch Polizisten und Journalisten.

Gegen die Abschaltung der Medien hat Kenias Anwaltsverband im Laufe des Nachmittags einen Eilantrag eingereicht. Das Hohe Gericht in Nairobi ordnete am Abend letztlich die Behörden an, die Medienübertragung unverzüglich wieder zuzulassen.

Immerhin, das ist ein kleiner Sieg für die Demokratie und die Jugend in Kenia.

Denn die Proteste der Generation Z haben weit über die Landesgrenzen hinaus Einfluss. Afrikaweit verfolgen junge Menschen, was aktuell in Kenia geschieht. Das Land galt schon immer als freier und demokratischer als die umliegenden Nachbarländern, wo Polizeigewalt an der Tagesordnung ist.

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