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Unglück in Leverkusener ChemieparkZwei Tote nach Explosion

Auf dem Areal eines Entsorgungszentrums im Leverkusener Chemiepark explodieren drei Tanks. Neben den Toten gibt es über 30 Verletzte, fünf Menschen werden noch vermisst.

Dunkle Rauchwolke über dem Chempark in Leverkusen Foto: Oliver Berg/dpa

Berlin taz/dpa | Erst kommt es zu einem Knall, der ganz Leverkusen erschüttert und auch im weiter entfernten Bergisch Gladbach zu hören ist. Kurze Zeit später heulen Sirenen im ganzen Stadtgebiet auf, Warn-Apps blinken. Eine massive Rauchwolke steigt auf. Am Dienstagmorgen gegen 9.30 Uhr ist es im Chempark von Leverkusen zu einer verheerenden Explosion gekommen. Mindestens zwei Menschen kamen dabei ums Leben, über 30 wurden verletzt. Weitere fünf Mitarbeiter werden derzeit noch vermisst.

Die Ursache ist bisher noch unklar. Nur so viel: Explodiert ist ein Tanklager in einer Entsorgungsanlage im Stadtteil Bürrig. Danach kam es nach Angaben des Chemparkbetreibers Currenta zu einem mehrstündigen Brand, den die Feuerwehr erst gegen Mittag unter Kontrolle bekam. An­woh­ne­r:in­nen der umliegenden Stadtteile wurden aufgefordert, geschlossene Räume aufzusuchen sowie Fenster und Türen geschlossen zu halten.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ordnete das Unglück in die Warnstufe „Extreme Gefahr“ ein. Denn in den brennenden Tanks befand sich laut Chempark-Leiter Lars Friedrich chloriertes Lösungsmittel. Eine genaue Analyse der Wolke liege derzeit zwar noch nicht vor, sagte Friedrich in einer am Dienstagmittag eilig einberufenen Pressekonferenz. Er könne jedoch nicht ausschließen, dass darin auch Giftstoffe enthalten gewesen seien.

Die Explosion ereignete sich ihm zufolge in der Sonderabfallverbrennungsanlage des Entsorgungszen­trums. Dabei waren drei Tanks betroffen, in denen sich die Chemikalien mit einem Füllgrad von 200 bis 300 Kubikmetern je Tank befanden. Wie viel davon verbrannt sei, werde noch ermittelt, sagte Friedrich. Das Löschwasser sei aufgefangen worden.

Feuerwehr: Keine Gefahr für Bevölkerung

Erste Luftmessungen der Umweltschutzeinheiten im Kölner Norden ergaben laut Aussage der Feuerwehr, dass derzeit keine Gefahr für die Bevölkerung bestehe. Eine Einschätzung, ob in den Niederschlägen relevante Stoffe zu finden seien, war nach Auskunft des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) aber noch nicht möglich. Die Messungen würden fortgesetzt.

Die Stadt Leverkusen ließ denn auch vorsorglich Spielplätze in den Stadtteilen Bürrig und Opladen schließen. Das Gesundheitsamt wies zudem darauf hin, dass Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Stadtteile Bürrig Nahrungsmittel aus dem Garten vorsorglich nicht verzehren und bei nicht aufschiebbaren Arbeiten im Garten ebenfalls vorsorglich Handschuhe tragen sollten.

Autofahrer wurden aufgefordert, Fahrzeugfenster geschlossen zu halten und die Lüftungen auszustellen. Die Polizei sperrte vorübergehend mehrere Autobahnen in der Nähe des Chemparks. Auch die Feuerwehr im rund 60 Kilometer Luftlinie entfernten Dortmund warnte vor Geruchsbelästigungen. „Gesundheitliche Beeinträchtigungen können nicht ausgeschlossen werden“, twitterte sie.

Mit drei Standorten in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen ist Chempark eines der größten Chemie-Areale in Europa. Rund 50.000 Menschen sind bei den mehr als 70 Unternehmen beschäftigt, darunter die Dax-Konzerne Bayer, Covestro Lanxess und Air Liquide.

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5 Kommentare

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  • ....und die Werksarbeiter sollen dann immer schön per (ggf. Kohlestrom)E- oder Verbrenner-PKW aud die grüne Wiese gurken?

    • @Martin L.:

      Eine Werksbahn tät's doch auch.

  • Windräder dürfen in Deutschland nur mit 1000 Metern Abstand zu Wohnsiedlungen gebaut werden, Chemieparks dürfen allerdings mitten in Millionenmetropolen stehen. Damit wird doch überdeutlich, wo die Regierenden der letzten Jahrzehnte ihre Prioritäten gesetzt haben - jedenfalls nicht beim Umweltschutz und auch nicht beim Bevölkerungsschutz. Ab dafür!

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Nun die stehen da aber auch schon teilweise seit 100 Jahren und mehr, die Fehler der Vergangenheit sollte man also bei neuen Anlagen nicht wiederholen.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Das ehemalige Bayerwerk wurde erst 2008 zum Chemiepark ausgebaut. Schon da hätte man eine Gefahrenanalyse machen müssen und besonders riskante Werksteile ausgliedern müssen. Mit Rücksicht auf die Kosten wurde das nicht gemacht - Umweltzerstörung kostet in Deutschland ja nix.



        Zwischenfälle im Chempark sind seit langem die Regel und nicht etwa die Ausnahme. Die Leute in Leverkusen sind daran gewöhnt, dass es da öfter mal knallt. Blöd nur, wenn weithin sichtbarer schwarzer Rauch aufsteigt. Es muss wohl erst ein zweites Seveso passieren, bevor sich hier mal was bewegt.