piwik no script img

Ungleiche Schwestern in ThrillerkomödieGroßer Spaß mit Männermord

Die nigerianische Autorin Oyinkan Braithwaite veröffentlicht mit „Meine Schwester, die Serien­mörderin“ ihren ersten Roman.

Die nigerianische Autorin Oyinkan Braithwaite hat eine rasante Thrillerkomödie geschrieben Foto: © Studio 24

Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Korede, die großgewachsene, nicht sehr hübsche, dabei aber kluge und überaus zuverlässige große Schwester. Und die zierliche, zweitgeborene Ayoola, die ganz und gar aus weiblichen Reizen zu bestehen scheint und Männer anzieht wie das Licht die Motten. Fast ebenso todbringend wirkt sie auch.

Zu Beginn des Romans ist gerade der dritte ehemalige Liebhaber Ayoolas durch ihr Einwirken ums Leben gekommen; und Ich-Erzählerin Korede als loyale Beschützerin hilft ihr wie immer, die Leiche zu beseitigen. Anschließend googelt sie im Internet und erfährt, dass man ab drei Morden als Serienkiller gelte. Die geliebte kleine Schwester, eine Serienmörderin! Was soll Korede nur tun?

Die nigerianische Autorin Oyinkan Braithwaite, Jahrgang 1988 und zu einem großen Teil britisch sozialisiert, veröffentlicht mit dieser rasanten schwarzen Thrillerkömodie ihren ersten Roman. Dem Guardian hat sie gestanden, dass es eine Diskrepanz gebe zwischen ihrem hier doch recht blutigen schriftstellerischen Handwerk und ihrem Glauben. Braithwaite ist Christin und aktive Kirchgängerin; im Nachwort zum Roman dankt sie an erster Stelle Gott.

Ihrer Großmutter habe sie nicht einmal den vollen Titel nennen wollen, erzählt sie, und ihr Vater habe gefragt, warum sie eine Geschichte ohne jede Hoffnung habe schreiben müssen. Die Autorin nimmt diese Vorbehalte zwar ernst, hat für sich aber einen vorläufigen Frieden mit ihrer ambivalenten Inspiration geschlossen: „Leute haben mir gesagt, dass sie beim Lesen lachen mussten. Mir gefällt es, dass ich auf diese Weise etwas Freude in die Welt gebracht habe.“

Das Buch

Oyinkan Braithwaite: „Meine Schwester, die Serien­mörderin“. Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer. Blumenbar, Berlin 2020. 240 Seiten, 20 Euro

Dieser kleine Roman ist ein großer Spaß

Tatsache ist, dass beide Sichtweisen auf ihre Art zutreffen: Dieser kleine Roman ist ein großer Spaß. Aber nur, weil er sich offensiv weigert, das zugrundeliegende Trauma ernst zu nehmen, das ganz allmählich zutage tritt: Für beide Schwestern scheint es unmöglich zu sein, mit einem Mann echtes persönliches Glück zu erleben. Korede, die als Krankenschwester arbeitet, ist ein wenig verliebt in einen netten Arzt in ihrer Klinik, muss aber erleben, dass dessen freundschaftliche Gefühle für sie keine Rolle mehr spielen, sobald er eines Tages zufällig Ayoola erblickt.

Hin und her gerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen und Impulsen, kann die große Schwester nichts anderes tun, als dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. In ihrem sehr speziellen Dilemma gefangen, darf Korede sich keinem lebenden Menschen anvertrauen. In der Not beginnt sie, all ihre Probleme einem Komapatienten zu erzählen, dessen Familie schon darüber nachdenkt, die lebenserhaltenden Apparaturen abzustellen. Eines Tages aber geschieht ein Wunder: Der Mann wacht auf – und kann sich sogar an alles erinnern!

Dann geschieht vielleicht wieder nicht ganz das, was man erwartet hat. Parallel versteht man aber immer mehr, warum es passiert. Bruchstückweise legen Koredes Erzählungen eine verhängnisvolle Vergangenheit frei.

Knallharte Abrechnung mit der Männlichkeit

Dabei wird auch offenbar, dass es nicht ganz stimmt, wenn Oyinkan Braithwaite sagt, sie nehme nicht für sich in Anspruch, über die nigerianische Wirklichkeit zu schreiben, dafür sei das Land viel zu komplex und ihre eigene Erfahrung zu begrenzt. Auf jeden Fall hat sie unter dem Deckmantel dieser meisterhaft lapidar komponierten Komödie eine knallharte Abrechnung mit einer toxischen afrikanischen Variante von Männlichkeit versteckt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Pädagogisch verwerflich - bei Problemen den Partner umzubringen ist keine dauerhafte Lösung.

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @Kappert Joachim:

      Die einen sagen so, die anderen so...;-)

      Zum Glück und zur Gesundheit aller bewegen wir uns in der Literatur.

      ....."Literatur, die Verbrechen zum Gegenstand hat, gibt es, seitdem Menschen versuchen, diese Thematik künstlerisch zu verarbeiten. Reduziert auf den Begriff des Verbrechens lassen sich unzählige Beispiele in der Weltliteratur finden: In der Antike hat Sophokles mit König Ödipus einen Vatermörder zum Protagonisten gemacht, in den Götter- und Heldensagen der Wikinger und Griechen wird gemordet, Shakespeare, Dostojewski und Schiller schicken Verbrecher, Verräter, Räuber und Mörder ins Rennen. Richard Alewyn nennt bspw. den Tod Abels im vierten Kapitel des ersten Buch Moses »den ältesten und berühmtesten Kriminalfall«. So lassen sich unzählige Beispiele finden, die das Verbrechen als spannungsförderndes und unterhaltendes Element und damit auch zum literarischen Gegenstand haben......"

  • "...einer afrikanischen Variante...",



    Bei den vielen Kulturen und Ethnien in Afrika solch eine Ausage zu treffen, ist knallharter Sexismus und Rassismus.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Ich bin innerlich noch immer ganz aufgewühlt durch die" Heidemorde".



    ....Leute haben mir gesagt, dass sie beim Lesen lachen mussten. Mir gefällt es, dass ich auf diese Weise etwas Freude in die Welt gebracht habe.“....



    Gilt immer!



    ... die ganz und gar aus weiblichen Reizen zu bestehen scheint ....

    Diese Erhöhung "ganz und gar" bringts!

  • "Ihrer Großmutter habe sie nicht einmal den vollen Titel nennen wollen," schade dass die taz uns auch nicht den Titel nennt. Zum Glück ist es das erste Buch der Autorin. Also findet man es schnell ;)