Ungarns Regierungschef bei der CSU: „Ich bin Ihr Grenzschutzkapitän“
Orbán wird in Bayern freundlich empfangen. Er stellt seinen Plan für die Flüchtlingskrise vor – und verbittet sich „moralischen Imperialismus“.
Hier, im Bildungszentrum der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung im fränkischen Bad Staffelstein, hält die CSU-Landtagsfraktion ihre diesjährige Herbstklausur ab – wohin CSU-Chef Seehofer auch den ungarischen Premierminister geladen hat.
Als Markus Rinderspacher, Vorsitzender der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag, um 9 Uhr vor dem Plakat gegen den Besucher demonstriert, steht er zunächst ganz allein da. „Was will die CSU denn von diesem Rechtspopulisten, der seit Jahren EU-Recht und Menschenrechte mit Füßen tritt, lernen? Wie man mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas gegen Flüchtlinge vorgeht?“, fragt er.
Als weitere Demonstranten, Vertreter der Grünen und der Linken mit Trillerpfeifen und Schildern – „Mister Orbán, tear down this wall“, „Horst the Worst“ – eingefunden haben, ist der dunkle Wagen mit dem ungarischen Regierungschef allerdings längst im Klosterhof verschwunden. Orbán ist schon eine halbe Stunde eher ankommen als ursprünglich geplant.
Die Südgrenzen Bayerns
Zu den Protestierenden gehören auch Margarete Bause, Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen, sowie Anton Hofreiter, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag. Das im Vorfeld dieses Treffens immer wieder angeführte Argument der CSU, man müsse mit Orbán reden, bringt Hofreiter sichtlich auf: „Mit so jemanden muss man streiten, und zwar in EU-Gremien, und nicht, indem man ihn zur Klausur einlädt und ihm damit seine Wertschätzung zeigt.“
Viktor Orbán
Als Orbán gemeinsam mit Seehofer und dem CSU-Europaabgeordneten Manfred Weber vor die Presse tritt, gibt er sich selbstbewusst: „Die Südgrenzen Bayerns werden heute von Ungarn beschützt. Ich bin Ihr Grenzschutzkapitän“.
Dass vor allem Bayern derzeit die Folgen der „Wir schaffen das“-Politik der Bundeskanzlerin zu tragen habe und damit alsbald überfordert sei, betont an diesem Tag auch Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag: Kommunen, Städte, Sicherheitskräfte und Ehrenamtliche seien am Limit. „Unsere Gesellschaft ist nicht unbegrenzt belastbar.“
Sein Kollege Klaus Stöttner, Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Rosenheim, pflichtet ihm bei: „In Bayern geht der Platz aus, wir mussten übers Bayerische Rote Kreuz 10.000 Betten aus Kanada einfliegen lassen!“ Der Markt für Wohncontainer sei leergefegt, überall würden Turnhallen und sogar Schwimmbäder in Unterkünfte verwandeln.
Stimmungsmache von rechts
Trotzdem will Stöttner nicht als Rechtspopulist gesehen werden: Er habe selbst bei sich im Wahlkreis gemeinsam mit SPD, Grünen und Linken zwei Kundgebung gegen rechtsgerichtete Stimmungsmacher organisiert, betont er. Zugleich gelte es aber, die wachsenden Ängste in der bayerischen Bevölkerung ernst zu nehmen.
„Die Menschen fürchten um unsere freiheitliche Art, zu leben. Schulen schicken jetzt Briefe an Eltern, sie sollten darauf aufpassen, dass ihre Töchter sich nicht zu freizügig anzögen.“
Vor der Presse erläuterte Orbán seinen „Sechs-Punkte-Plan“, den er auch beim Treffen der EU-Regierungschefs in Brüssel darlegen will. Dazu gehört unter anderem eine mögliche militärische Sicherung der griechischen Außengrenzen auch mit freiwilliger militärischer Unterstützung anderer EU-Länder.
Ungarn bleibt ungarisch
Er will Wirtschafts- von Kriegsflüchtlinge noch außerhalb des Schengengebiets trennen und eine Liste sogenannter sicherer Drittstaaten, die auf europäischer Ebene definiert werden sollte. Zudem sollten nach Orbáns Vorstellung alle Länder ihre Ausgaben um ein Prozent reduzieren und die Einsparungen zum Management dieser „Völkerwanderungskrise“ verwenden. Man solle mit der Türkei und Russland enger zusammenarbeiten und ein Weltkontingent aufstellen.
Einen „moralischen Imperialismus“ aber verbitte er sich. Ob sich die deutsche Gesellschaft verändern soll und will, das sollten die Deutschen für ihr Land entscheiden – aber bitte nicht für Ungarn. „Wir sind Ungarn. Wir wollen uns nicht ändern durch eine massenhafte Einwanderung.“
Auf die Frage eines ungarischen Journalisten, wann er die neu eingerichteten technischen Grenzsicherheitsanlagen an der Grenze zu Kroatien scharfstellen will, antwortet Orbán, er habe bereits die Zustimmung des ungarischen Parlaments erhalten, militärische Kräfte und Material dorthin zu verlagern.
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