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Unfall in ItalienBauer nach Erntehelfertod verhaftet

Die italienische Polizei hat nach dem Tod eines Erntehelfers einen Landwirt festgenommen. Er soll dem Opfer nicht geholfen haben.

Kundgebung mit Mitgliedern der indischen Gemeinschaft in Italien protestieren, um Gerechtigkeit für Satnam Singh Foto: Cecilia Fabiano/reuters

Rom afp/ap | In Italien hat die Polizei einen Bauern festgenommen, der einen indischen Erntehelfer nach einem Arbeitsunfall mit abgeschnittenem Arm zurückgelassen hatte – woraufhin der Mann starb. Der Agrarunternehmer Antonello L. sei wegen vorsätzlicher Tötung im Zusammenhang mit dem Tod von Satnam Singh verhaftet worden, teilte die Staatsanwaltschaft von Latina am Dienstag mit. „Wäre dem Inder, der aufgrund des hohen Blutverlustes starb, sofort geholfen worden, wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach gerettet worden“, schrieb die Staatsanwaltschaft unter Berufung auf einen Gerichtsmediziner.

Der Fall des 31 Jahre alten Erntehelfers hat in Italien großes Entsetzen ausgelöst. Der Mann, der ohne gültige Papiere arbeitete, war Ende Juni in eine Maschine geraten. Nach Angaben von Gewerkschaftsvertretern leistete der nun festgenommene Unternehmer jedoch weder Erste Hilfe noch rief er einen Krankenwagen. Stattdessen habe er den schwerverletzten Singh „wie einen Sack Müll nahe seiner Wohnung abgeladen“. Italiens Arbeitsministerin Marina Calderone verurteilte den Vorfall als „Akt der Barbarei“.

Die Zeitung Corriere della Sera zitierte aus dem Haftbefehl, der Verhaftete habe den Traktor gefahren, der die Maschine zog, und den heftig blutenden Mann vor seinem Haus liegen gelassen. Die Staatsanwaltschaft erklärte, es sei völlig klar gewesen, dass der Verletzte sofort Hilfe brauchte.

Freunde des Opfers riefen Rettungsdienst

Laut einem Polizeisprecher hatten Freunde des Inders nach dem Vorfall die Polizei und den Rettungsdienst verständigt. Der Arbeiter sei mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus nach Rom gebracht worden, wo er dann gestorben sei.

Der Vorfall ereignete sich in der südlich von Rom gelegenen Provinz Latina, auf deren Feldern Zehntausende Inder tätig sind. Experten zufolge erhalten Arbeiter ohne Papiere in der Gegend­ durchschnittlich 20 Euro Lohn pro Tag für bis zu 14 Stunden Arbeit.

Die italienische Finanzpolizei identifizierte von Januar 2023 bis Juni 2024 fast 60.000 Arbeitnehmer ohne gültige Papiere. Schätzungen der größten italienischen Gewerkschaft CGIL zufolge haben jedoch bis zu 230.000 Menschen keinen Vertrag – mehr als ein Viertel der landwirtschaftlichen Saisonarbeiter des Landes.

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2 Kommentare

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  • Ich wünschte mir sehr, es würden wirklich mal ein Jahr keine Ausländer in die EU kommen. Wenn all die ausgebeuteten Erntehelfer für Spargel, Erdbeere und Trauben mal wegblieben, würden die Rechten Fanatiker in Europa mal sehen, wie sich ein Leben ohne Ausländer anfühlt.

    Davon abgesehen, könnten die Staaten, wenn sie wollten natürlich stärker gegen diese Ausbeutung vorgehen. Gäbe dann vermutlich aber wieder organisierte "Bauernproteste".

    • @Semon:

      Vor allem wünsche ich mir, daß die Personen die in die EU kommen nicht mit 20€ für 14h Arbeit abgespeist werden - auch dann, wenn die Staaten zufrieden mit der Situation sind, nicht.

      Erkenntnisgewinne für Misanthropen halte ich zudem für ausgeschlossen.