Unesco-Liste: Weltkultur ohne Werbung
Sechs Berliner Wohnsiedlungen aus den 20ern sollen auf die Unesco-Liste des Weltkulturerbes. Touristen werden auf diese Highlights nicht hingewiesen.
Bald könnte Berlin um ein Weltkulturerbe reicher sein. Neben der Museumsinsel und den preußischen Schlössern sollen 2008 sechs Siedlungen der Moderne auf die Unesco-Liste gesetzt werden. Doch mit der Vermarktung seiner Weltkultur tut sich Berlin schwer.
"An der Tourismus-Werbung geht das Thema völlig vorbei", beklagte sich am Montagabend Landeskonservator Jörg Haspel auf einer Veranstaltung im Bauhaus-Archiv. "Weder auf den Internetseiten noch auf den Flyern gibt es einen Hinweis darauf, dass Berlin die Hauptstadt der 20er-Jahre-Moderne ist."
Tatsächlich findet sich auf dem Portal Berlin-Tourist-Information kein Hinweis auf die Berliner Bewerbung. Zwar gibt es unter Sightseeing einen Unterpunkt Architektur. Der aber begnügt sich mit der "Preußischen Pracht in Mitte" oder dem "neuen politischen Berlin". Dabei machen gerade die von Bruno Taut oder Hans Scharoun entworfenen Siedlungen Berlin für Architekturtouristen interessant. Gleiches gilt für die Internetseite berlin.de - auch hier fehlt die Moderne der 20er. "Da muss sich dringend was ändern", sagt Landeskonservator Haspel: Doch bei der Berlin-Tourismus Marketing GmbH (BTM) trifft er auf taube Ohren. "Wir betreiben keine Nabelschau", sagt BTM-Chef Hanns Peter Nerger. "Ein Bewerbungsstatus ist für uns noch kein Anlass, nach außen zu gehen." Erst wenn Berlin den Welterbetitel zugesprochen bekomme, "hauen wir auf die Pauke".
Dabei ist das Interesse jetzt schon groß. Zur Ausstellung "Berliner Siedlungen der 1920er Jahre - Kandidaten für das Unesco-Welterbe" im Bauhaus-Archiv kamen bislang 24.500 Besucher. "Wegen des großen Andrangs wurde die Ausstellung um zwei Wochen bis 22. Oktober verlängert", freut sich Museumschefin Annemarie Jaeggi. Vom Bauhausarchiv gibt es den bislang einzigen Touristenflyer zum Thema: "Die Moderne in Berlin, 73 Bauten 1909-1937".
Inzwischen gibt es auch weitere Überlegungen, das große Interesse am Reformwohnungsbau der Weimarer Republik zu nutzen. Sowohl die Gehag als auch die Bau- und Wohnungsgenossenschaft 1892, die vier der sechs nominierten Siedlungen betreuen, denken über Museumswohnungen nach - eingerichtet im Originalzustand der 20er. Vorbild ist die Weißenhof-Siedlung in Stuttgart. Die dortige Musterwohnung im Le-Corbusier-Haus, die in diesem Jahr fertiggestellt wird, kann sich des Zuschauerzuspruchs kaum erwehren.
Auch in Berlin widmen sich weitere Ausstellungsmacher der klassischen Moderne. Ab Sonntag wird in der Akademie der Künste eine Werkschau des Architekten Hans Poelzig zu sehen sein. Mit seinen Planungen zum Messegelände am Funkturm und dem benachbarten Haus des Rundfunks, zum Kino Babylon und der Wohnbebauung rund um den heutigen Rosa-Luxemburg-Platz habe er sich "wie wenige andere in die Physiognomie der Stadt eingeschrieben", betonte die Akademie.
Im Berliner Tourismusportal ist davon nichts zu lesen.
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