Unerträgliche Geisterspiele: Reclaim the Game!
Frankfurts 0:3 gegen Basel hat gezeigt: Spiele ohne Fans gefährden den Sport. Ohne Zuschauer sind sie verzichtbar.
E s wird ja doch Fußball gespielt. 0:3 hat etwa Frankfurt am Donnerstagabend in der Europa League gegen den FC Basel verloren, doch die übliche sportjournalistische Floskel, dies sei „vor heimischer Kulisse“ geschehen, ist in diesen Coronazeiten unangebracht. Es fehlt in diesen Monaten etwas, das doch wie selbstverständlich zum Fußball gehört: das Publikum. Kölns Manager Horst Heldt sprach nach dem Geisterspiel seines 1. FC in Mönchengladbach von einem „Testspielcharakter“.
Fußball ist ein soziales Phänomen. Wenn jetzt die Menschen, die diesem Spektakel erst die große gesellschaftliche Dimension verleihen, draußen bleiben müssen, verändert das dieses Phänomen. Wenn wir nicht aufpassen, geschieht das über die aktuelle Krise hinaus. Heldts Überlegung vom „Testspielcharakter“ ruft Assoziationen von Laborbedingungen hervor, bei denen jeder äußere, störende Einfluss ausgeschlossen ist, hervor.
Das Bild ist aber falsch, Heldt weiß es selbst. Denn letztlich wissen alle, dass zum Fußball die Fans gehören. Sie bilden eine Kulisse, die man nicht wie in schlechten Comedyserien, durch ein Geräusch das vom Band kommt, ersetzen kann. Was sich hier wie eine Banalität anhört, ist jedoch ein gewichtiges Argument in der gerade vernünftig entschiedenen Debatte, dass die Bundesligasaison unterbrochen wird: Wenn Fußball ohne Fans kein Fußball ist, dann wäre das, was in Geisterspielen ausgetragen wird, gerade keine Fußballmeisterschaft aus, sondern irgendwas anderes.
Mit dieser Entscheidung ist auch die dauernde Rede, der Fußball habe mit Politik und Gesellschaft nichts zu tun, so deutlich widerlegt, dass man nie wieder etwas in diese Richtung hören und lesen möchte. Ein völlig unrealistischer Wunsch ist das, ich weiß. Aber illusionär ist er nicht deswegen, weil die Kräfte, die die ja nicht erst in diesen Monaten widerlegte Lüge vom unpolitischen Sport verbreiten, dumm wären, sondern weil das Zurückdrängen großer gesellschaftlicher Teilhabe am Sport etlichen Leuten zupass kommt.
Das hat sich schon in den Debatten um Fanproteste angedeutet. Aus je sehr unterschiedlichen Gründen gilt doch: Die Teilhabe am gesellschaftlichen Ereignis Fußball ist bedroht. Stattdessen könnte sich ein medial glatteres, besser vermarktbareres und vor allem von allen Unberechenbarkeiten – seien es Fans, die kreativ und deutlich protestieren, seien es Fans, die als gefährliche Überträger von Krankheiten gelten – befreites Ereignis entwickeln. Das hieße dann immer noch „Fußball“, wäre aber nicht mehr der Fußball, den wir kennen. Denn der ist ja ein soziales Phänomen.
„Fußball ohne Fans ist scheiße“, hat Rudi Völler nach dem Europa-League-Spiel seiner Leverkusener bei Glasgow (vor Fans!) gesagt. Völler ist eine Stimme der Vernunft, die sich nun durchgesetzt hat. Die Lüge vom Nur-Fußball tut ja so, als gäbe es keine Probleme, wenn die Fußballer nur Fußball spielten. Aber nicht nur Fans können vom Coronavirus infiziert werden – all das kann Profis und Trainern auch passieren, und passiert ihnen ja auch in diesen Tagen.
Geisterspiele haben in einem guten demokratischen Sinne nichts mit Fußball zu tun. Sie finden bloß statt und wurden bloß gefordert, damit Rechteinhaber ihre Interessen wahren. Wer Fußball liebt und zugleich akzeptiert, dass er in der aktuellen Coronakrise nicht stattfinden kann, sollte dafür kämpfen, dass dieser Sport nicht zum bloßen Fernsehevent mutiert, das Fans dann zu Hause oder in der Kneipe gucken können. Reclaim the game!, holt euch das Spiel zurück, ist eine alte und wieder sehr aktuelle Forderung. Wenn der Ball bald für alle ruht, ist das im Sinne des Fußballs.
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