Unerlaubtes „Weltwoche“-Porträt: Undercover beim Rendezvous
Ein „Weltwoche“-Autor trifft die Escort-Dame Salomé Balthus und schreibt darüber einen Artikel. Einem Interview hatte sie nie zugestimmt.
Balthus war in der Schweiz bekannt geworden, nachdem sie Anfang April dieses Jahres in der SRF-Talksendung des Schweizer Journalisten Roger Schawinski zu Gast gewesen war. Balthus, damals noch Kolumnistin bei der Welt, wurde von Schawinski zum Thema Missbrauch befragt. Nach einem Einspieler, in dem Alice Schwarzer behauptete, eine „überwältigende Mehrheit“ der Prostituierten habe „in der Kindheit sexuellen Missbrauch erfahren“, fragte Schawinski: „Ist das auch bei Ihnen der Fall gewesen?“
Als Balthus später, verärgert über diesen Vorfall, in ihrer Welt-Kolumne schrieb und wohl nicht richtig zitierte, feuerte man sie beim Springer-Verlag. Kurz darauf bot ihr die Weltwoche eine Kolumne in ihrem Blatt an. Balthus lehnte ab, reagierte auf keine weiteren journalistischen Anfragen der Zeitung, auch weil sie „negative Erfahrungen mit einer bürgerlich-rechten Zeitung“ gemacht hatte, sagt sie.
In der aktuellen Ausgabe der Weltwoche, die am Mittwoch erschien, findet sich nun doch ein Porträt von Balthus. Es trägt den Titel „Rendezvous mit Salomé Balthus“, geschrieben hat es der Autor Roman Zeller, der Balthus auch zum Date in Berlin traf. Eine Rendezvous also, das so auch stattgefunden hat, sagt Balthus. Nur: Was währenddessen gesagt wurde, sollte nie veröffentlicht werden.
Völlig privates Treffen
Der Text wird als ein „Gespräch über Kunst, Philosophie und Sex“ angekündigt. Darum geht es dann auch. Balthus erzählt von ihren Kunden, von ihrer Schulzeit und ihrer Kündigung als Kolumnistin bei der Welt. Zeller beschreibt den Abend, Balthus Auftreten und Aussehen sehr ausführlich, lässt sie viel zu Wort kommen. Die verwendeten Zitate habe Balthus allerdings weder autorisieren, noch ihr Einverständnis zur Veröffentlichung geben dürfen.
Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel sagte auf Anfrage der taz, ihr Autor Roman Zeller habe sich „korrekt als Weltwoche-Journalist zu erkennen gegeben und einen geradezu euphorischen Artikel über eine sehr intelligente Frau geschrieben.“ Unsauber gearbeitet zu haben räumt man also nicht ein. Roman Zeller äußerte sich auf Anfrage der taz bisher nicht zu den Vorwürfen.
Dass Zeller Journalist ist, wusste Balthus. Nur dass es sich bei dem Treffen um ein Interview handelte, davon war nie die Rede, sagt sie. „Die Voraussetzung war völlig klar: Dass es ein völlig privates Treffen ist und kein Interview und auch kein Porträt. Ich hatte das ja alles abgesagt und eingangs auch nochmal gesagt.“ Für das Date, hat Zeller, wie verabredet, auch gezahlt.
Unzulässig recherchiert
Eigenartig ist, dass Zeller in seinem Porträt selbst schreibt, Balthus habe zu verstehen gegeben, damals, ihm Frühling, keinerlei Interesse an einem Gespräch mit der Weltwoche zu haben. „Heute noch immer nicht, wie sie über ihre Sekretärin mitteilen ließ“, schreibt Zeller weiter. Und dass man aber als Kunde jederzeit willkommen sei. Diesen Teil der Geschichte bestätigt auch Balthus. Zeller begibt sich also auf ein Date mit einer Protagonistin, die mehrfach verkündet hatte, dass sie keine sein möchte. „Also packte ich genügend Kleingeld ein“, schreibt der Autor noch und trifft die Escort-Dame Balthus.
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Handelt es sich hierbei also um eine unzulässige Recherche? „Vor einer medienethischen Einschätzung muss zuerst im Detail abgeklärt werden, was zwischen dem Weltwoche-Autor und Frau Balthus abgemacht wurde und wie offen der Journalist auftrat“, sagt der Schweizer Jurist und Journalist Dominique Strebel. Und weiter: „Der Journalist muss Name, Medium, Rechercheabsicht transparent machen und kann Aussagen nur mit Einwilligung zitieren, außer es gebe ein hohes öffentliches Interesse.“
Sollte Zeller das Porträt also ohne das Einverständnis von Balthus veröffentlicht haben, hätte er mindestens gegen den Pressekodex verstoßen und Balthus Persönlichkeitsrechte verletzt. Illustriert wurde das Porträt von Salomé Balthus dann auch noch mit einem Foto von ihr, für das die Weltwoche keine Bildrechte besitzt. Der Fotograf werde sicher nicht erfreut sein, sagt Balthus.
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