Unabhängigkeit der US-Zentralbank: Donald Trump wird wieder übergriffig
Der US-Präsident fürchtet die Konjunkturrisiken, die er mit seiner Zollpolitik selbst verursacht. Fed-Chef Powell will er vorerst wohl doch nicht entlassen.
„Neben den Zöllen selbst ist die zunehmende politische Unsicherheit – sowohl handelspolitisch als auch allgemein – ein wichtiger Treiber der Wirtschaftsaussichten“, sagte IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas vor Journalisten.
Trotz der aktuellen 90-tägigen Pause für die meisten Gegenzölle mit Ausnahme derer gegen China hält Trump weiter an seiner Wirtschaftsstrategie fest. Und die geht über die Zollverwirrungen hinaus. Zuletzt verunsicherten vor allem Trumps Attacken gegen US-Notenbankchef Jerome Powell die Akteure auf den Finanzmärkten. Sogar eine mögliche Entlassung von Powell, den Trump selbst während seiner ersten Amtszeit für das Amt nominiert hatte, stellte er kurzzeitig in Aussicht – bevor dann am späteren Dienstag wieder alles anders war: Da erklärte der US-Präsident, dass er nicht beabsichtige, Powell zu feuern.
Aber auch wenn Powells Job damit vielleicht nicht in akuter Gefahr ist, war die Botschaft doch deutlich: Mit seiner scharfen Kritik kratzt Trump an der Unabhängigkeit der Federal Reserve. Wie schon in seiner ersten Amtszeit, als er sich als erster US-Präsident in die Geldpolitik einmischte, will er, dass „die Fed das tut, was für das Land gut ist“ – wobei die Frage ist, wer das definiert.
Begründete Unabhängigkeit
Denn aktuell ist die bislang stabile und nachvollziehbare Vorgehensweise der US-Notenbank angesichts der globalen Neuausrichtung unter Anlegern äußerst willkommen. Die Unabhängigkeit der Notenbanken sei eine der größten Errungenschaften moderner Industrieländer und unterscheide diese von einer „Bananenrepublik“, erklärte Benjamin Bente, Geschäftsführer der deutschen Finanzfirma Vates Invest. Ein Eingriff in diese Unabhängigkeit würde deutlich größere wirtschaftliche Folgen haben als das Zollthema. „Hinter Trumps Agieren steht vielmehr die mögliche Einsicht, dass seine Zölle das Wirtschaftswachstum massiv bedrohen.“
Auch US-amerikanische Analysten sehen dies ähnlich. „Würde Powell abgesetzt, würden die Märkte dies mit ziemlicher Sicherheit als Inflationssignal interpretieren, was möglicherweise die langfristigen Zinssätze in die Höhe treiben und die Rolle des US-Dollars als Reservewährung der Welt untergraben würde“, sagte Elliot Dornbusch, Investmentchef bei CV Advisors, der Nachrichtenagentur Reuters.
Zinssenkungen sollen ausgleichen
Trump will, dass die US-Notenbank ihren Leitzins deutlich schneller senkt, als sie dies bisher getan hat, um die US-Wirtschaft anzukurbeln. Bei der aktuellen Verunsicherung durch die Zollpolitik und den Plan, mehr Produktion zurück in die USA zu holen, könnte ein niedriger Leitzins durchaus von Vorteil sein. Ob Trump noch weitere Ziele verfolgt, ist unklar.
In Online-Posts erklärte er, dass Powell mit seinen Entscheidungen zur Bekämpfung der Inflation immer zu spät sei und immer falsch liege. Auch bezeichnete er Powell als einen „riesigen Verlierer“. Doch Powell hat sich von diesen verbalen Attacken bislang nicht beeinflussen lassen und hält vorerst an seinem Kurs fest – und er nannte die aktuelle wirtschaftliche „Unsicherheit“ als einen Grund dafür.
Trump wird weiterhin nichts unversucht lassen, um die Politik der Notenbank mit seinen politischen Zielen in Einklang zu bringen. Mit seinen Aussagen erhöht er immer wieder den Druck auf Powell und die Fed. Wie lange diese standhaft bleibt, wird sich zeigen. Powells Amtszeit endet offiziell im kommenden Jahr.
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