Umweltskandal um Oldenburgs Fliegerhorst: Unter der Oberfläche stinkt's
Auf dem Fliegerhorst, wo ein neuer Stadtteil entstehen soll, wurde kontaminiertes Material verbuddelt. Staatsanwälte ermitteln auch wegen Korruption.

Außerdem enthielten drei Proben asbesthaltiges Material, wie die Staatsanwaltschaft Oldenburg am Mittwoch mitteilte. Es sei von einem „flächendeckenden Eintrag von Abfällen im Bereich der ehemaligen Schießbahn“ auszugehen, heißt es zu den Ermittlungen wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen.
Damit bestätigt sich die Aussage eines Baggerfahrers, der für ein Abbruchunternehmen aus der Nähe von Soest arbeitete, das seit Jahren auf dem früheren Militärgelände tätig ist. Er hatte sich im Februar 2024 an die Behörden gewandt und Mitarbeiter der Stadtverwaltung bezichtigt, von der illegalen Aktion gewusst, ihn sogar dazu angehalten zu haben. Das „belastete Material“ sei dünn mit Mutterboden abgedeckt und vom Gartenbauamt begrünt worden.
Der Bauarbeiter schätzt die kontaminierte Menge auf 15.000 Tonnen. Dazu noch rund 4.500 Kubikmeter verseuchter Erdaushub. Schon am ersten von sechs Probenlöchern, die während der Großrazzia Ende Februar fast vier Meter tief ausgehoben wurden, soll übel riechende Erde ans Licht gekommen sein. Dazu Bauschutt, an dem Teer und Asbest hafteten, sowie Asphaltbruch und Kabelreste. Der zuständige Staatsanwalt spricht von einem „in der Dimension herausragenden Verfahren“.
Jürgen Krogmann, SPD, Oldenburgs Oberbürgermeister
„Das Grundwasser ist sauber. Es gibt keinen Anlass zur Sorge“, wird dagegen Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) in einer Mitteilung der Stadt Oldenburg zitiert. Weiter heißt es dort: „Von der Bodenauffüllung im Bereich des ehemaligen Schießstandes geht keine Gefährdung für Mensch und Umwelt aus.“ Nach Auffassung der Stadt handelt es sich nicht um illegale Abfallentsorgung, sondern um eine „planmäßige Verwendung“ von Materialien, die zur Absicherung einer Fläche dienen sollen, auf der Munitionsreste vermutet würden. Kein Sondermüll, sondern vor allem Baumstümpfe, Wurzelwerk und gesiebte Reste aus der Bodenaufbereitung. Außerdem gebe es einen Zaun um den Bereich.
Auf dem 2006 aufgegeben Luftwaffen-Fliegerhorst soll ein neuer Stadtteil für 3.000 Menschen entstehen. Bislang sind dort schon zwei Kitas in Betrieb, die eine knapp 200 Meter von der kontaminierten Fläche entfernt.
Das Projekt untersteht direkt dem Oberbürgermeister. Der hat den schwerwiegenden Verdacht stets von sich gewiesen. Dringlichkeitsanträge, das Gelände zu beproben, hatte eine Ratsmehrheit abgelehnt. Bodenuntersuchungen seien nicht nötig. Noch im November hatte Krogmann ausdrücklich „Entwarnung“ gegeben, die Vorwürfe haltlos genannt. Nach Berechnungen der Verwaltung sei völlig ausgeschlossen, dass dort illegal Schadstoffe entsorgt wurden. Dabei blieb der OB auch am Mittwoch noch.
Zeitgleich zum richterlich angeordneten Bagger-Einsatz der Oldenburger Staatsanwaltschaft hatten Korruptionsermittler aus Osnabrück im Februar auch das Büro eines Bodengutachters in Bad Zwischenahn durchsucht. Der kontrolliert im Auftrag der Stadt unter anderem die Rechnungen des Abbruchunternehmens und zeichnete dabei üppige Nachschläge ab. Nach Informationen der taz hat er auch selbst Rechnungen an die Firma gestellt, mit deren Kontrolle er von der Stadt Oldenburg beauftragt ist. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück prüft jetzt, ob die Abrechnungen zum tatsächlichen Arbeitsaufwand passen. Sie ermittelt wegen Betrugsverdachts, auch gegen den Geschäftsführer der Abbruchfirma aus Nordrhein-Westfalen. Dort wurden im Februar ebenfalls Büros durchsucht.
Die Ermittler rückten seinerzeit zudem ins Privathaus eines Stadtamtsrats ein. Er soll nach taz-Informationen 25.000 Euro kassiert haben. Bar in fünf Tranchen, die der Baggerfahrer überbracht hat. Nachdem die Stadt Oldenburg Mitte November 2023 vorsorglich Strafanzeige erstattet hat, ist der Beamte im Vorruhestand. Das beschuldigte Abbruchunternehmen und der Gutachter sind bis heute für die Stadt tätig. Anfragen haben sie nicht beantwortet.
Millionenauftrag ohne Ausschreibung
Mehr als 20 Millionen Euro hat die Konversion des ehemaligen Militärgeländes bislang gekostet. Der Mitarbeiter des Projektteams hatte offenbar zeitweise freie Hand. Ende August 2021 vergab er einen weiteren Auftrag über eine Million Euro an das beschuldigte Abbruchunternehmen. Während der Coronapandemie lag das Limit für Vergaben ohne Ausschreibung bei einer Million. Die Schlussrechnung überstieg den Angebotsbetrag dann allerdings um rund 300.000 Euro. Der Gutachter hielt das für gerechtfertigt. Die Stadt zahlte.
Die Stadtverwaltung wurde von der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsaktion, bei der Ermittler auch im Rathaus vorstellig wurden, offenbar völlig überrascht. Die taz hatte schon vor mehr als einem Jahr über den Verdacht des Umweltfrevels berichtet, was Anlass für den Beginn der Ermittlungen war.
Unklar sind die Folgen. Vermutlich muss der rund 8.000 Quadratmeter große Bereich jetzt mehrere Meter tief abgetragen und das komplette Material fachgerecht deponiert werden. Dazu bestehe aber „aktuell keine Notwendigkeit“, meint die Stadt.
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