Korruptionsverdacht in Oldenburg: Geldbündel vom Baggerfahrer

Bei der Sanierung eines Militärgeländes soll Bargeld von einer Baufirma an einen Stadtamtsrat geflossen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

eine mit Wasser vollgelaufene Grube, im HIntergrund Kasernengebäude

20 Millionen hat die Stadt Oldenburg am Fliegerhorst schon verbuddelt – profitierte auch einer ihrer Mitarbeiter? Foto: Christina Gerlach

OLDENBURG taz | „Schöne Aussichten“ verspricht die Stadt Oldenburg in einer blumigen Pressemitteilung. Anlass war seinerzeit, vor knapp zwei Jahren, die Aufstellung von drei übereinander gestapelten Seecontainern am Rand eines ehemaligen Militärflugplatzes im nördlichen Stadtgebiet. Von der „Informations- und Aussichtsplattform“ in neun Metern Höhe sollten die Oldenburgerinnen und Oldenburger das „Projekt Fliegerhorst“ in den Blick nehmen. Ein bisschen vermessen, immerhin ist das gesamte Areal mehr als 300 Hektar groß.

Jahrzehntelang waren hier Kampfjets stationiert. Seit die Luftwaffe den Flugplatz im Jahr 2006 aufgab, soll die Alexanderheide zu einem neuen Stadtteil werden – ein Beispiel für gelungene Konversion, den Wandel von militärischer zu ziviler Nutzung. 3.000 Menschen sollen sich in der geplanten „Smart City“ mal zu Hause fühlen. Auf und neben der früheren Startbahn grasen jetzt friedlich Schafe unter Tausenden Solarpanelen, die ein Unternehmen schon vor Jahren dort aufgestellt hat.

Nun droht sich ein dunkler Schatten auf das ehrgeizige Projekt zu legen. Der Verdacht der Korruption steht im Raum. Ein Mitarbeiter vom „Fachdienst Projekt Fliegerhorst“ der Oldenburger Stadtverwaltung soll Geld- und Sachleistungen angenommen haben. Die zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Osnabrück bestätigt der taz Ermittlungen gegen bislang zwei Personen wegen des Verdachts der Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Auch die Stadt Oldenburg erklärt auf Anfrage, es gebe bei ihr einen Verdachtsfall.

Und darum geht es: Auf dem früheren Militärgelände aus den 1930er-Jahren lagern Altlasten verschiedenster Art. Munition, Handgranaten und andere vergrabene Waffen, Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Dazu mit zum Teil gefährlichen Schadstoffen verseuchter Boden.

Dicke Bündel von 50-Euro-Scheinen, zusammengehalten von einem Gummiband, sollen den Besitzer gewechselt haben – insgesamt 25.000 Euro

Weil die Baugrundstücke in der „Smart City“ nur unbelastet verkauft werden dürfen, wird seit etwa sieben Jahren die komplette Fläche kontinuierlich metertief abgegraben. Das Erdreich wird gesiebt und vom Kampfmittelräumdienst sondiert. Danach werden die Gruben wieder verfüllt – Kubikmeter um Kubikmeter Erde wird so hin und her bewegt. Dafür müssen vorher nahezu alle Gebäude abgerissen werden: Große Hallen, Flugzeughangars, Turbinenprüfstände, Werkstätten, das Unteroffizierskasino, die Unterkünfte. Alles soll weg, nach und nach. Ein lukrativer Auftrag mit langfristiger Perspektive. Bis Ende 2023 hat die Stadt nach eigenen Angaben bereits 20 Millionen Euro für die Kampfmittelsondierung ausgegeben.

In den vergangenen viereinhalb Jahren war ein großes Abbruchunternehmen aus der Nähe von Soest in Nordrhein-Westfalen mit den Arbeiten beauftragt. Das war mit Baggern und Dumpern, also Spezialtransportern, und anderem schweren Gerät am Werk. Wie auf großen Baustellen üblich, hat der Generalunternehmer einen Subunternehmer engagiert, ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen. Gegen einen Bauarbeiter dieser Firma ermittelt jetzt ebenfalls die Osnabrücker Staatsanwaltschaft.

Es soll zugegangen sein wie im schlechten Krimi. Die „Story“ handelt von weißen Briefumschlägen mit dicken Bündeln von 50-Euro-Scheinen – stramm zusammengehalten von einem Gummiband. Die Übergaben sollen konspirativ stattgefunden haben, irgendwo auf dem Gelände, weit weg vom Aussichtsturm, abseits neugieriger Blicke. Mal hinter Baucontainern, aber auch auf dem Flur vor der Herrentoilette eines nahen Gasthofs, der für seine Ammerländer Spezialitäten bekannt ist oder gleich direkt in eine schwarze Fahrradtasche. Insgesamt 25.000 Euro in fünf Tranchen. Empfänger soll der Mitarbeiter vom „Fachdienst Projekt Fliegerhorst“ gewesen sein.

Gegen ihn ermittelt die Osnabrücker Staatsanwaltschaft, sie ist spezialisiert auf Korruption. Außerdem stellt die Stadt Oldenburg interne Ermittlungen an. Ob der unter Verdacht stehende Stadtamtsrat obendrein noch mit einem Satz Winterreifen für sein Privatauto und einer neuen Heizung fürs Eigenheim bedacht wurde, muss ebenfalls geklärt werden. Unklar ist auch, ob es Gegenleistungen gab. Der Beschuldigte ist dem Amt für Wirtschaftsförderung im Dezernat 1 zugeordnet, das direkt dem Oberbürgermeister untersteht.

Der Arbeiter des Subunternehmens soll angegeben haben, er habe die Geldbündel im Auftrag des Generalunternehmers übergeben. Das klingt nicht ganz unplausibel, nicht nur, weil er bei seinem Einkommen vermutlich keine Tausender einfach zur Seite legen kann. Und weshalb sollte ein Maschinenführer einen Stadtbediensteten bestechen? Er wollte sich gegenüber der taz nicht äußern.

Bürgermeister informierte Kommunalpolitik

Von der Stadt Oldenburg heißt es aktuell, weil die internen und polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, könne man zu konkreten Inhalten und zum Ausmaß keine weiteren Auskünfte geben. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) habe Mitte November 2023 die Ratsgremien über den Vorgang unterrichtet. Das Abbruchunternehmen aus der Nähe von Soest reagierte bislang nicht auf eine entsprechende taz-Anfrage.

Die „Schönen Aussichten“ währten übrigens nicht lange. Der für 130.000 Euro errichtete burgunderrot-weiße Containerturm war nach nicht mal einem Jahr schon wieder zu – das schwere Gerät rückte ausgerechnet an jene Stelle vor, wo die Aussichtsplattform platziert ist. Seitdem versperrt ein grauer Bauzaun den Aufgang und den Blick von oben.

Auch der Verkauf des Baulands stockt. Die hohen Zinsen haben nicht nur die private Nachfrage einbrechen lassen. Gerade sind die gelben Abrissbagger fast die einzigen Baumaschinen zwischen den haushohen Erd- und Schuttbergen auf der tristen Oldenburger Militärbrache. Seit dem vergangenen Herbst ist hier eine andere Firma im Einsatz. Aber für den nächsten Bauabschnitt soll auch das Abbruchunternehmen aus Nordrhein-Westfalen wieder ein Angebot abgegeben haben. Die Entscheidung der Stadtverwaltung, wer den Auftrag bekommt, soll demnächst fallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.