Umweltskandal in NRW: Prozess gegen PFT-Sünder beginnt
Die PFT-Verseuchung des Trinkwassers in Arnsberg war so hoch, dass abgepacktes Wasser verteilt wurde. Nun wird sechs Verantwortlichen der Prozess gemacht. Vor dem Landgericht Paderborn beginnt der Prozess wegen PFT-Verseuchung
BOCHUM taz | Es war einer der größten Umweltskandale Nordrhein-Westfalens: 2006 wurden in der Ruhr vermutlich krebserregende perfluorierte Tenside (PFT) entdeckt - dabei versorgt der Fluss Millionen Menschen mit Trinkwasser.
Die Konzentration der Industriechemikalie war so hoch, dass im sauerländischen Arnsberg an Schwangere und Säuglinge abgepacktes Wasser verteilt werden musste.
Einer der Verursacher war schnell gefunden: Die mittlerweile insolventen Firmen GW Umwelt und Terra Vital hatten Industrieklärschlämme mit Dünger vermischt. Der landete auf Äckern im Sauerland - allein die Entgiftung einer Fläche bei Brilon hat bis heute 2,2 Millionen Euro gekostet.
Sechs Verantwortlichen wird ab heute vor dem Landgericht Paderborn der Prozess gemacht - die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Boden- und Gewässerverunreinigung vor.
"Das Gesetz sieht dafür Haftstrafen von bis zu 15 Jahren vor", sagte der Sprecher der Ermittler, Oberstaatsanwalt Klaus Pollmann. Das aufwendige Verfahren wird Monate dauern - Richterin Margret Manthey hat schon jetzt Verhandlungstermine bis Ende des Jahres festgesetzt.
Ein Drittel der Verseuchung
Giftfrei ist das Trinkwasser der Ruhr aber noch immer nicht. "Der Anteil aus den PFT-belasteten Flächen im Hochsauerland" betrage "mittlerweile ein Drittel der PFT-Fracht" der Ruhr, musste auch der amtierende grüne Umweltminister Johannes Remmel 2010 einräumen.
Die restlichen zwei Drittel stammen von sogenannten indirekten Einleitern aus der Metall-, Papier- oder Textilindustrie - die Bedampfung mit Fluormolekülen sorgt etwa für die Wasserdichtigkeit von Outdoorjacken. Von den bestehenden Kläranlagen herausgefiltert werden die Giftstoffe nicht.
Zwar beteuert Remmels Ministerium, die PFT-Zielwerte von 0,1 Nanogramm pro Liter Wasser würden in großen Teilen der Ruhr trotzdem eingehalten. Östlich von Dortmund wurde allerdings noch 2010 die doppelte Menge registriert. Nahe der Mündung transportierte der Fluss bis zu 220 Gramm der Industriechemikalie - pro Tag.
Die nötige Aufrüstung der Kläranlagen und Wasserwerke aber lässt weiter auf sich warten: Experten schätzen die Kosten für deren Betreiber, den Ruhrverband, auf bis zu 700 Millionen Euro.
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