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Umweltschützer über Deichgegner„Am Ende zahlt die Allgemeinheit“

Bürger gehen oft gegen neue Deiche auf die Barrikaden. Wer sie von besserem Hochwasserschutz überzeugen will, braucht geschultes Personal.

Ein bundesweites Flusskonzept nötig; derzeit kämpfen die Länder zu oft für sich Bild: dpa
Interview von Richard Rother

taz: Herr Lücking, immer wieder hört man, dass Bürger gegen neue Deiche oder die Ausweitung von Überschwemmungsflächen der Flüsse auf die Barrikaden gehen. Was kann man dagegen tun?

Winfried Lücking: Das muss man im Einzelfall vor Ort sehen. Zunächst wirkt es befremdlich, wenn sich Bürger gegen sinnvolle Maßnahmen wehren. Da gibt es sicher persönliche Interessen: Der eine möchte seinen Garten nicht verlieren, ein anderer will sein Feld komplett behalten, ein Dritter hofft auf Gewinn durch den Verkauf von Bauland. Aber es darf nicht sein, dass Hochwasserschutz wegen der Interessen Einzelner scheitert. Am Ende zahlt die Allgemeinheit, etwa durch Katastrophenfonds.

Fehlt den Behörden Überzeugungskraft?

Wir als Umweltverband haben es im brandenburgischen Lenzen geschafft, an der Elbe einen Anschluss an eine Alt-Aue herzurichten, und damit dem Fluss mehr Raum gegeben. Das war nicht immer leicht. Wer mit Bürgern spricht, die auch etwas zu verlieren haben, braucht geschultes Personal. Sonst ist der Widerstand nach der Diskussion oft größer als vorher.

Wo versagen die Behörden?

Es kann nicht sein, dass die Bundesländer die Aufsicht über ihre Kommunen nicht wahrnehmen, so dass mancherorts immer noch Baugebiete in Flussauen ausgewiesen werden. Außerdem ist ein bundesweites Flusskonzept nötig; derzeit kämpfen die Länder zu oft für sich.

Im Interview: Winfried Lücking

ist Leiter der Abteilung Gewässerpolitik in der Bundesgeschäftsstelle des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND). Seit Jahren setzt er sich für die Verbesserung der Flusslandschaften in Deutschland ein.

Mehrere Jahrhunderhochwasser in wenigen Jahren: Was muss jetzt getan werden?

Zunächst steht die Erkenntnis: Der technische Hochwasserschutz ist gescheitert – mehr und höhere Deiche, besseres Talsperrenmanagement reichen nicht. Wir brauchen einen ökologischen Hochwasserschutz.

Was heißt das?

Die Flüsse brauchen wieder mehr Platz. Dann steigen im Hochwasserfall die Pegel nicht so schnell, und das Wasser kann langsamer abfließen. Dafür brauchen wir mehr Retentionsflächen; zudem müssen trockengelegte Moore wieder vernässt werden, weil diese Wasser speichern.

Und damit weniger Wasser in die Flüsse gelangt, brauchen wir mehr Misch- statt Nadelwälder und weniger intensive Landwirtschaft, weil so die Böden mehr Wasser aufnehmen können. Zudem müssen wir die Flächenversiegelung stoppen. Zu guter Letzt brauchen wir einen wirksamen Klimaschutz, damit es künftig weniger und weniger heftige Starkregenfälle bei uns gibt.

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6 Kommentare

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  • G
    Guntram

    @Andreas Urstadt und Julien Lewis: Ich habe es mehrfach probiert und werde aus dem Kommentar nicht schlau! Bitte nochmal das Deutsch überarbeiten, danke!

     

    @Nichtschwimmer:

    Zuerst einmal nicht den NABU als Insitution für alle Spinner verantwortlich machen, die Argumente im Namen des Umweltschutzes bringen. Danke.

     

    10%-20% Kostensteigerung durch Ausgleichspflanzungen? Wo kommt denn bitte diese utopische Zahl her? So ein paar Bäume kosten nun wirklich nicht die Welt! Populismus?

     

    Was hat das Abweiden der Dämme mit Mäusen zu tun? Populismus?

     

    Und wieso soll nur Sachsen für den Flusslauf von Elbe und Co verantwortlich sein? Die Versiegelungen finden ja derzeit hauptsächlich in den mündungsnäheren Ländern statt - Deutschland hat das alles schon früher erledigt...

    Fakt ist doch, daß wir den Flüssen ihr natürliches Flußbett genommen haben, welches eben nicht ohne Gründe so verwunden und mit Auwäldern versehen war!

     

    @Ludwig: Diese Statistiken würden mich interessieren! Im Wesentlichen geht es ja auch nicht um die eine oder andere Maximalzahl sondern vielmehr auch um die Häufung der Hochwasser. Und da habe ich das Gefühl (leider keine Zahlen), daß sich da qualitativ etwas zu ändern scheint!

    • AU
      Andreas Urstadt
      @Guntram:

      @Guntram

       

      weiss nicht mehr, was ich da meinte in dem Kontrast - Bayern übernahm schon seit Langem die Erfahrungen der Holländer zum Umgang mit Hochwasser, was bedeutet Fläche für das Wasser lassen - ich gehe davon aus, dass ich u a grüne Kommunen meinte, die restriktiv eher auf Dämme setzen gegen die Natur. Mich überraschten die Sachen bei der CSU, die gegen maximale Verwirtschaftlichung argumentierte, wobei es nicht nur um Auwälder geht, sondern auch gegen Landwirtschaft zugunsten von Wasserläufen.

  • AU
    Andreas Urstadt und Julien Lewis

    Zur Frage der Retention gibt auch die bayerische Staatsregierung fitte und passende Antworten, laesst sich alles googeln. Und gut erklaert.

     

    Die Gruenen switchten mit ihrer Institutionalisierung von bottom up zu top down (top down ist nicht nachhaltig - das von vielen als Rulen und Gaengeln Wollen Empfundene ist genau das). Waehrend die Etablierten, auch die CSU sich der Realitaet und den Leuten zuwandten, setzten die Gruenen auf Akademisierung. Wo sie s am wenigsten taten, stellen sie die Landesregierung.

     

    Was man bei der CSU finden kann ist fachlich richtig.

     

    Wer eine Regierung abloesen will, sollte dafuer Ahnung von der Sache haben. Die fehlt aber, an vielen Kommentaren zum Oeko u Nachhaltigkeitsthema zu sehen. Die taz wird seit zwei Monaten gescreent. Es wird auch mit der CSU verglichen usw.

     

    Man darf sich auf keinen Fall auf die taz reduzieren. Wer nicht auch mal bei der CSU nachsieht ist nicht grad kosmopolitisch. Und hat eine niedrige Ambiguitaetstoleranz = the authoritarian mind. Erinnert an Leibesvisitation usw durch Hausbesetzer.

  • L
    Ludwig

    Es ist zwar populär Retentionsräume zu verlangen und den "technischen Hochwasserschutz" zu verdammen. Leider ist das falsch.

     

    Wer sich die Hochwassermarken aus früheren Jahrhunderten anschaut, sieht dass die fast alle sehr viel höher waren als die heutigen Hochwasser.

     

    Und das obwohl im 17. Jahrhundert das Wasser noch völlig ungehindert in Retentionsräume fließen konnte.

     

    Auch die Forderung, dass nicht in hochwassergefährdeten Bereichen gebaut wird, klingt gut. Hätte man Heinrich den Löwen oder dem Heiligen Rupert erklären sollen, die München bzw. Salzburg partout in überschwemmungsgefährdeten Bereichen haben bauen lassen.

  • N
    Nichtschwimmer

    Viel Bürger sind nicht gegen den Ausbau von Deichen, sondern gegen die unverschämten Kosten!

    Wenn dem Fluss mehr Raum gegeben werden soll, der Deich befestigt werden soll, zum Beispiel mit einem Deichverteidigungsweg sind die "Umweltschützer" die ersten die schreien "Wir brauchen Ausgleichspflanzungen!".

     

    Das treib die Kosten um 10-20% hoch, danke dafür NABU!

     

    Wer war den gegen das Abweiden der Dämme mit Schafen (vor 2002)??

    Die von Mäusen durchbohrten Dämme sind zusammen gefallen wie Kartenhäuser, Danke ihr Grünen!

     

    Jetzt aktuell nehmen die Drainagegräben in Mittelsachsen das Wasser kaum noch auf. Es Fließt so langsam ab das der Wasserhöchststand mit dem aus Tschechien zusammenfallen wird.(dem Der Elbe)!

     

    Wesentlicher Faktor ist das unterlassene Räumen der Drainagegräben! Diese werden aus Umweltschutzgründen nicht komplett gemäht/geräumt und nicht mehr ausgebaggert.

     

    Bitte liebe TAZ wacht auf!

    Stellt mal die richtigen Fragen!

     

    Wo hat es den in Sachsen zunehmende Flächenversiegelung gegeben, die 3000 m3/s mehr Durchfluss in der Elbe rechtfertigen würde!?

     

    Wo waren den all die trockengelegten Moore die 3000 m3 H2O/pro Sekunde! gehalten haben????

     

    Nichtschwimmer

  • I
    isomatte

    Die Allgemeinheit zahlt eigentlich für alles. Und mir ist es lieber wenn mit meinem Steuergeld Mitbürger in Deutschland unterstützt werden als wenn wir für verfehlte Einwanderungspolitik, Energiewende und Eurorettung aufkommen müssen.