Umweltministerin und Onlinehandel: Retouren schreddern? Nein danke
Online gekauft, zurückgeschickt und dann vernichtet – das will SPD-Umweltministerin Schulze Internethändlern per Gesetz erschweren.
Unter anderem die Grünen fordern, es Versandhändlern wie Amazon oder Otto zu verbieten, neuwertige zurückgeschickte Waren zu vernichten. Bereits am Vortag hatte das Ministerium mitgeteilt, dass geprüft werde, Sachspenden von der Umsatzsteuer zu befreien. Retourware müsse entweder weiterverkauft, gespendet oder anders verwendet werden, sagte der Sprecher. Dass sie Abfall werde und also im Schredder lande, müsse „die allerletzte Option sein“, sei aber nicht immer auszuschließen.
Wissenschaftler der Universität Bamberg haben ermittelt, dass die Bundesbürger bei Bestellungen im Internet jedes sechste Paket wieder zurückschicken. Im vergangenen Jahr sind das demnach 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel gewesen. Bei Kleidung und Schuhen geht sogar fast die Hälfte der Pakete zurück an den Absender. Nach Erkenntnis der Forscher landen rund 4 Prozent der Artikel im Müll, 79 Prozent werden wieder als Neuware verkauft, 13 Prozent als sogenannte B-Ware, also vergünstigt.
Währenddessen forderte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, steuerliche Erleichterungen für Onlinehändler, die retournierte Waren an gemeinnützige Organisationen spenden statt sie zu vernichten. „Dass funktionsfähige und neuwertige Produkte systematisch vernichtet werden, ist schwer erträglich“, sagte Müller der Düsseldorfer „Rheinischen Post“.
Die zurückgegebenen Waren müssten anderweitig verwendet werden. „Dafür müssen Anreize geschaffen werden. Zum Beispiel das Spenden von Produkten an gemeinnützige Organisationen steuerlich zu erleichtern“, forderte Müller. Für Produkte, die Internethändler wie Amazon kostenlos an Hilfsorganisationen abgeben, müssen sie in Deutschland bisher den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zahlen. Wegen dieser Zusatzkosten ist der Anreiz für viele Onlinehändler groß, schwer wiederverkäufliche Waren einfach zu vernichten statt sie zu spenden.
„Das Problem hat seine Wurzel auch bei den großen Mengen von Produkten zweifelhafter Qualität, die heute über Onlinemarktplätze vertrieben werden“, sagte der vzbv-Chef. Verbraucher könnten mangelnde Qualität nur schwer erkennen. „Wir brauchen eine striktere Kontrolle von Produktsicherheit und Qualität“, betonte Müller. „Außerdem brauchen wir langlebigere Produkte und eine bessere Verbraucherinformation über diese Aspekte – und nicht zuletzt kann jede und jeder sich vor dem Kauf auch mal fragen: Brauche ich das wirklich?“
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