Umweltkatastrophe in der Oder: Rätseln über den Fischkiller

Weiter Unklarheit über das Oder-Fischsterben: Eine deutsch-polnische Taskforce wird eingesetzt und nach 300 möglichen Auslösersubstanzen gesucht.​

Tote Fische treiben auf einer Wasseroberfläche

Seit mehreren Tagen beschäftigt das massive Fischsterben im Fluss Oder die Behörden Foto: Marcin Bielecki/dpa

BERLIN/POTSDAM afp | Die Ursache für das verheerende Fischsterben in der Oder ist weiterhin ein Rätsel. Bei einem Krisentreffen von deutschen und polnischen Regierungsvertretern wurde eine gemeinsame Taskforce zur Ursachenforschung ins Leben gerufen. Derweil suchten Expertinnen und Experten laut Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) in Laboren nach 300 möglichen Auslösersubstanzen für das Geschehen.

„Wir stochern ja im Dunklen“, sagte Vogel am Montag nach einem Besuch an der Oder bei Lebus. In deutschen und polnischen Laboren werde inzwischen parallel unter anderem auch nach Insektiziden und Pestiziden als möglichem Grund für die massiven Fischvergiftungen gesucht. Bislang stehe lediglich fest, dass das Wasser der Oder eine noch unerklärliche „Anomalie“ aufweise.

Laut Vogel sind unter anderem Salzgehalt und pH-Wert der Oder derart stark erhöht, dass sie bereits für sich gesehen „toxisch wirken“. Zudem ist die Sauerstoffkonzentration im Wasser stark erhöht, obwohl angesichts der hohen Temperaturen und des niedrigen Wasserstands eher das Gegenteil zu erwarten wäre. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei diesen Messwerten um eine Reaktion auf die unbekannten Stoffe handle, die das Fischsterben auslösten.

In Stettin trafen sich Regierungsvertreterinnen und -vertreter aus Polen und Deutschland am Sonntagabend auf höchster Ebene, um das gemeinsame Vorgehen abzusprechen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und ihre polnische Amtskollegin Anna Moskwa nahmen ebenfalls teil. Vereinbart wurde laut Bundesumweltministerium eine Taskforce, in der polnische und deutsche Experten nun gemeinsam an der Krisenreaktion und Ursachenforschung arbeiten.

Konkretere Analyseergebnisse „Anfang der Woche“

Nach Angaben des Ministeriums werden konkretere Analyseergebnisse „Anfang der Woche“ erwartet. Das Ausmaß der ökologischen Schäden in dem Grenzfluss zu Polen sei „noch nicht übersehbar“, erklärte dieses am Montag in Berlin.

Auf deutscher Seite war das Fischsterben vor etwa einer Woche aufgefallen und hatte entsprechende Reaktionen der Behörden ausgelöst. Menschen wurden offiziell gewarnt, das Oderwasser zu benutzen. Zudem wurden unter anderem Schleusen geschlossen, um mit der Oder verbundene Gewässer zu schützen.

In Polen war das Fischsterben jedoch bereits rund eineinhalb Wochen vorher erstmals beobachtet worden, ohne dass die dortigen Behörden aktiv wurden oder warnten. Erst in der vergangenen Woche reagierten die Behörden auch dort und stellten erste Informationen bereit. Das führte in Polen und in Deutschland zu Kritik an der Informationspolitik der Verantwortlichen.

Schon im Juli Hinweise

Nach bisherigen Informationen gab es erstmals am 28. Juli in der Region um die polnische Stadt Breslau Hinweise auf Vergiftungen und ein Fischsterben. Wer oder was dafür verantwortlich sein könnte, ist bisher aber unklar. Das Wasser bewegte sich dann allmählich in Richtung Odermündung an der Ostsee.

Das Verhalten der polnischen Behörde sorgte derweil weiterhin für massive Verstimmungen. Bundesumweltministerin Lemke sprach am Montag im ARD-Morgenmagazin von einem „Vertrauensverlust“. Außerdem erschwere es das „Identifizieren der Schadensursache“, dass Informationen aus Polen die deutschen Behörden zu spät erreicht hätten, fügte die Ministerin an.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte am Montag in Lebus, er sei „verärgert“ über die polnische Seite. Die Vorgänge müssten „dringend“ aufgearbeitet werden. Zunächst sei es allerdings „existenziell wichtig“, die Ursache zu ermitteln. Nur so könne unter anderem beurteilt werden, ob von dem Oderwasser weiterhin eine Gefahr ausgehe oder nicht.

Erste Mutmaßungen über eine Quecksilbervergiftung als Ursache bestätigten sich nach Angaben Vogels nicht. Nach Angaben des Landesumweltministers wurde in der vergangenen Woche zwar eine sehr hohe Quecksilberkonzentration in einer Wasserprobe registriert, in anderen allerdings nicht. Der Quecksilbergehalt der Oder bewege sich insgesamt im oder nur leicht über dem Toleranzbereich.

Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand sei das Schwermetall somit als Grund für das Geschehen auszuschließen, sagte Vogel in Lebus. Es sei nicht in solchen Mengen in die Oder gelangt, um „schockartig“ das Fischsterben auszulösen.

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