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Umweltkatastrophe am Bodo CreekShell muss zahlen

Tausende Fischer und ihre Familien im Nigerdelta verloren 2008 ihre Existenz. Der Konzern bietet jedem Fischer 1000 Pfund. Deren Anwälte weisen das als zurück.

Die größte Umweltkatastrophe in Nigeria: Der ölverseuchte Bodo Creek bei Port Harcourt, Bild von 2012. Bild: reuters

LAGOS ap | Ein britisches Gericht hat den niederländischen Ölkonzern Shell für eine der größten Ölkatastrophen in Nigeria verantwortlich gemacht, den Öllecks 2008 und 2009 im Nigerdelta. Shell bot den 30.000 betroffenen Einwohnern am Freitag daraufhin 30 Millionen Pfund (37 Millionen Euro) Entschädigung an, was deren britischen Anwälte als lachhaft zurückwiesen.

Amnesty International wertete das Urteil des Londoner High Courts dennoch als „Schuss vor den Bug für Shell“, da es „den Weg ebnet, Shell letztendlich für die verheerende Ölverschmutzung im Nigerdelta zur Rechenschaft zu ziehen.“ Shell spielte die Bedeutung des Urteils herunter. Der Schadenersatz sollte „auf eine Bewertung des tatsächlich entstandenen Schadens“ begrenzt werden.

Shell hatte in dem Prozess darauf beharrt, dass „Pipeline-Betreiber nicht für Schäden verantwortlich sind, die durch Öldiebstahl verursacht werden“. Richter Robert Akenhead vom Londoner Gericht für Technologie und Bau entschied aber, dass Shell verpflichtet sei, angemessene Vorkehrungen zum Schutz seiner Infrastruktur zu treffen. Dazu gehöre die Installation von Systemen zur Entdeckung von Lecks, Überwachungstechnologie und Maßnahmen gegen Manipulationen. Shell hat all das nicht in seinen nigerianischen Ölfeldern. Diese Ausstattung gilt aber in der entwickelten Welt als zwingend.

Es war der erste Prozess gegen Shell wegen der Umweltkatastrophe im Nildelta vor einem britischen Gericht. In Nigeria sind Tausende von Schadensersatzverfahren anhängig. Sie ziehen sich in den oft korrupten Gerichten Jahre hin und enden oft damit, dass die Opfer eine minimale Entschädigung zugesprochen bekommen.

Öldiebstahl hat in Nigeria industrielle Ausmaße angenommen, täglich wird nach Angaben der nigerianischen Nationalkonferenz Öl im Wert von 25 Millionen Euro gestohlen.

Shell hat bis heute nicht die Umweltverschmutzung am Bodo Creek im Nigerdelta beseitigt. Die Bodo-Bevölkerung habe dem Konzern den Zugang verweigert, sagt Shell. Einer der britischen Anwälte der nigerianischen Fischer, Martyn Day, sagte, Shells Angebot von 30 Millionen Pfund würde für jeden Einwohner bedeuten, eine Entschädigung von 1000 Pfund (1250 Euro) zu bekommen. Das sei lachhaft.

Bodo Creek ist eine der größten Umweltkatastrophen Nigeria. Shell-Dokumenten zufolge begann das Leck am 5. Oktober 2008, insgesamt 1640 Barrel Öl seien ausgelaufen. Dokumente der nigerianischen Regierung und der örtlichen Verwaltungen sagen, das Leck habe am 28. August begonnen. Industrie-Experten schätzen in den Bodo-Flussarm seien 72 Tage lang täglich bis zu 4320 Barrel Öl geflossen.

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5 Kommentare

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  • Gut, dass endlkich ein Gericht die Verantwortung von Shell ins rechte Licht rückt. Dass die Entschädigung für die Fischer angesichts der immensen Gewinne über die Entnahmezeit gesehen ein Treppenwitz der Geschichte sein dürfte, ist soweit klar und unwidersprochen. Wichtiger wäre allerdings nun ein konkretes Urteil, das den Ölkonzern zu einer kompletten Sanierung des von Shell verschmutzten Ökosystems verpflichtet und durch vom Gericht bestellte Gutachter überwacht wird.

     

    Darauf warte ich!

     

    Wenn die Menschen im Niderdelta ihre Lebensgrundlage zurückhaben, dann reicht auch eine bescheidenere Entschädigung aus. Vielleicht kann dann auch die erschreckende Groß- und Schleppnetzfischerei vor den Nasen der Fischer auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden, das im anderen Fall nicht nur die Lebensgrundlagen dieser Menschen sondern auch die ihrer Kinder und Enkel zerstört.

     

    Ich hätte noch viele "vielleichts", aber da käme ich noch mehr als ohnehin ins Schwadronieren.

  • "Es war der erste Prozess gegen Shell wegen der Umweltkatastrophe im Nildelta vor einem britischen Gericht."

     

    Faszinierend. Hab ich in Erdkunde damals wohl nicht aufgepasst

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    1000 Pfund ist im Kapitalismus also eine Familienexistenz wert.

  • "Tausende Fischer und ihre Familien im Nigerdelta verloren 2008 ihre Existenz. Der Konzern bietet jedem Fischer 1000 Pfund. Deren Anwälte weisen das als zurück."

     

    - da ist leider ein Rechtschreibfehler drin. Bitte korrigieren. Sonst schöner Artikel.

    • @Barnados:

      Das ist kein Rechtschreibfehler. ;-) Vielmehr fehlt das Adjektiv.

       

      Die Frage ist: was weisen deren Anwälte zurück?

      Antwort müsste lauten: das Angebot des Shellkonzern.