Umwelthauptstadt: BUND geht von Bord
Umweltverband verärgert über "Umwelthauptstadt"-Sponsor Siemens, der Geld in der Atomindustrie verdient. Senat stellt Zug vor, der für Umweltschutz werben soll.
Hamburg firmiert 2011 als Umwelthauptstadt ("Green Capital") Europas - aber einer der wichtigsten Umweltverbände spielt nicht mehr mit. Der BUND zieht sich aus den Kooperationsprojekten zur Umwelthauptstadt zurück, weil der Siemens-Konzern zu den Hauptsponsoren gehört. "Es ist unerträglich, dass eine europäische Umwelthauptstadt ein Unternehmen zum Hauptsponsor macht, das wie kein anderes für den Bau von Atomkraftwerken steht und in diesem Bereich nach eigener Aussage sogar Weltmarktführer werden will", teilt BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch mit.
Der Titel "Umwelthauptstadt Europas" wird von der EU-Kommission an jeweils eine Stadt für ein Jahr vergeben. Im vergangenen Jahr war es Stockholm, im kommenden Jahr soll es die spanische Stadt Vitoria-Gasteiz sein. Hamburg setzte sich gegen 35 Mitbewerberinnen durch. Gewertet wurde eine Mischung aus hohen Umweltstandards und anspruchsvollen Umweltzielen sowie den Fähigkeiten zur Vermarktung des Umweltgedankens.
An dieser Stelle ließ der BUND die Stadt am Montag auflaufen: Er nahm die Vorstellung des "Zuges der Ideen" im Eisenbahn-Miniaturwunderland zum Anlass, seinen Ausstieg zu verkünden. Der Zug, der im Miniformat schon mal durch die Spielzeuglandschaft in der Speicherstadt zuckelte, ist Teil des Kommunikationskonzepts, das für die Kür Hamburgs entscheidend war. Im kommenden Sommerhalbjahr soll er 18 europäische Städte zwischen Barcelona und Tallinn anfahren, um die Menschen für den Umweltschutz zu sensibilisieren.
2011 ist Hamburg Europas Umwelthauptstadt.
Programm: Umweltführungen, Umweltwirtschaftsgipfel, Internationaler Umweltrechtstag, Green Port Congress, Leitmesse für nachhaltigen Konsum, Bürgerdialoge.
Versprechen: Minus 40 Prozent CO2-Ausstoß bis 2020; 18 statt zwölf Prozent Fahrradverkehr; Binnenwachstum statt Zersiedlung.
Fundamentalkritik: Greenpeace und Rettet die Elbe kritisieren, die Stadt hänge sich nur ein grünes Mäntelchen um. Das Kohlekraftwerk Moorburg widerspreche der Idee diametral. Es fehle ein ökologisches Verkehrskonzept.
Der Zug sei eine Art "Umwelthauptstadt auf Rädern", sagte Umweltsenatorin Herlind Gundelach (CDU). Er schleppt sieben Ausstellungscontainer. Darin sollen die grünen Seiten Hamburgs ebenso vor Augen geführt werden wie Tipps zum umweltfreundlichen Verhalten oder die Möglichkeit, sich als Stadtplaner zu betätigen.
Der Siemens-Konzern wird dazu beitragen, indem er seine effizienteste Lokomotive vor den Zug spannt. Seine Firma wolle umwelttechnische Lösungen vorstellen, etwa für den sparsamen Einsatz und den effizienten Transport von Energie oder intelligente Stromnetze, sagte der Siemens-Manager Michael Westhagemann. Er finde es schade, dass sich der BUND zurückgezogen habe. Schließlich müsse der Umweltverband ja ein Interesse an der Frage haben, wie Ökonomie und Ökologie zusammen zu bringen seien. Sein Konzern habe heute nur noch mit den Anlagenteilen von Atomkraftwerken zu tun, wo es nicht um Kernspaltung gehe.
Der BUND warf dem Konzern vor, er wolle sein Atom-Image mit dem Engagement für die Umwelthauptstadt reinwaschen. Die Umwelthauptstadt mit Geld aus der Atomindustrie zu finanzieren, sei das falsche Signal. Das könne sie nicht nachvollziehen, konterte Gundelach. "Umweltschutz lässt sich nach einer langen Phase der Reparatur von Umweltschäden in den siebziger und achtziger Jahren heute nur mit Spitzentechnik und modernster Technologie erfolgreich betreiben", sagte sie. Umweltpolitik lebe nicht vom Ausgrenzen, sondern von Kooperation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken