Umweltbelastung Antibiotika-Resistenzen: Supererreger im Badesee

Der starke Einsatz von Antibiotika in Landwirtschaft und Gesundheitswesen macht gefährliche Bakterien immer resistenter. Die Folgen sind enorm.

Ein Mann auf einer Luftmatratze

Trügerisches Idyll: Auch in Badeseen wurden bereits sogenannte Supererreger gefunden Foto: dpa

BERLIN taz | Sie sollen die Ausbreitung von Bakterien bekämpfen, Mensch und Tier heilen: Antibiotika. Ihr Einsatz ist Alltag in der Landwirtschaft und im Gesundheitswesen. Doch die Medikamente sind längst kein Allheilmittel mehr. Ganz im Gegenteil. Bakterien werden zunehmend resistent gegen sie. Gesundheitsexperten sprechen gar von „Supererregern“, also von Keimen, gegen die Medikamente nicht ankommen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit jedes Jahr rund 700.000 Menschen durch multiresistente Keime sterben.

Wie stark die Erreger die Umwelt belasten, zeigt eine neue NDR-Recherche. Im Auftrag des Senders untersuchten Forscher Proben aus 12 Badeseen, Flüssen und Bächen in Niedersachsen. Befund: Überall fanden sich Keime, die gegen Antibiotika resistent sind. Besonders viele solcher Erreger stammten aus dem Fluss Hase, in den geklärtes Abwasser aus Osnabrück geleitet wurde.

Multiresistente Keime gelangen meist über zwei Wege in die Gewässer. Zum einen kommen sie aus Mastbetrieben, über die Gülle werden sie auf die Felder gebracht und mit dem Regen in die Gewässer geschwemmt. Zum anderen gelangen die Keime über Krankenhäuser und deren Abwasser in die Kläranlagen – und dann in Flüsse oder Seen.

Die Politik ist offenbar machtlos. Dabei haben die Ministerien für Gesundheit, Landwirtschaft und Forschung gemeinsam den Leitfaden „Dart 2020“ aufgelegt – kurz für die „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie“. Es geht um einen sachgerechten Einsatz der Medikamente in der Tier- und Humanmedizin, um die Fortbildung von Ärzten, aber auch um die Förderung von Forschung, zum Beispiel in der Wasseraufbereitung, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.

Ein Problem ist das Herausfiltern der Keime

Eines der größten Probleme ist das Herausfiltern der Keime aus den Kläranlagen. Doch das hält Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft für derzeit technisch kaum machbar. Hinzu kommt, dass die Einführung einer Spezialtechnologie die Abwassergebühren um mindestens 25 Prozent erhöhen würde. Weyand sieht eher die Verursacher in der Pflicht. „Stoffe, die gar nicht erst in die Gewässer oder in das Abwasser gelangen, müssen nicht mit großem Aufwand entfernt werden.“

Bei den Proben aus Niedersachsen wurden auch Colistin-Resistenzen gefunden. Dieses Antibiotikum wird vor allem in der Tiermedizin eingesetzt. Cordula Schulz-Asche, Gesundheitspolitikerin der Grünen-Bundestagsfraktion, fordert eine Kehrtwende in der Landwirtschaft. „Die Verabreichung von Antibiotika in der Tierhaltung muss drastisch reduziert werden.“ Zudem spricht sie sich für mehr Hygienemaßnahmen in Kliniken aus, die sicherstellen, dass multiresistente Keime innerhalb und außerhalb des Krankenhausbereichs nicht verbreitet werden. Letztlich müsse das Thema verstärkt international debattiert werden.

Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr rund 700.000 Menschen durch resistente Keime

Sowohl beim G7-Gipfel in Elmau 2015 als auch beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 setzte die Bundesregierung die Antibiotikaresistenzen auf die Agenda. Finanzielle Zusagen gab es nicht, auch eine Evalua­tion einzelner Maßnahmen wurde nicht vereinbart. Immerhin haben die G20-Staaten zugesagt, bis Ende 2018 nationale Aktionspläne aufzulegen.

Ein Problem ist für Experten zudem die Herstellung von Antibiotika. Die Produktion findet vor allem in Indien statt. Dort würden Abwasser mit Antibiotikarückständen fast ungefiltert in die Umwelt gelangen, kritisiert auch die Grüne Schulz-Asche. Sie plädiert für einen Fonds, der die Herstellung hierzulande fördern könnte.

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