Umstrittener Energieversorger: Klagen von und gegen Care-Energy
Netzbetreiber fordern 80 Millionen Euro von dem Stromanbieter. Der wehrt sich mit Unterlassungsklagen gegen kritische Texte.
Zudem hat die Bundesnetzagentur jetzt 800.000 Euro Zwangsgeld gegen ein Unternehmen der Gruppe festgesetzt, weil der Stromversorger seiner Pflicht, die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie anzuzeigen, nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.
Die vier Übertragungsnetzbetreiber machen gegenüber der einstigen Care-Energy Energiedienstleistungs GmbH & Co. KG, inzwischen firmierend als Expertos Unternehmens und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG, enorme Außenstände geltend: Allein das Unternehmen 50Hertz klagt auf 41,3 Millionen Euro, Amprion und Tennet machen jeweils rund 20 Millionen Euro geltend, TransnetBW 3,5 Millionen.
Alle vier Netzfirmen bekamen Ende 2015 vor dem Landgericht Hamburg in erster Instanz Recht. Allerdings sind die Urteile noch nicht rechtskräftig, weil das beklagte Unternehmen Berufung eingelegt hat. Ein Termin für die Verhandlung in nächster Instanz stehe noch nicht fest, teilte TransnetBW auf Anfrage mit.
Die Care-Energy-Firmengruppe weigert sich, die von den Übertragungsnetzbetreibern eingeklagte EEG-Umlage zu bezahlen, weil sie sich in der Rolle eines Energiedienstleisters sieht: Unter der Marke Care-Energy werde nämlich nicht Strom geliefert, sondern durch eine spezielle Vertragsgestaltung Licht, Kraft, Wärme oder Kälte. Damit glaubt der Versorger die Umlage, mit der der Ausbau erneuerbarer Energien finanziert wird, nicht vollständig abführen zu müssen. Schon 2013 sprach die Bundesnetzagentur von einer „eigenwilligen Rechtsauslegung“.
Und so sind auch weder die Behörden noch die Gerichte der Sichtweise des Unternehmens bisher gefolgt; die ganze Konstruktion sei ein „nichtiges Umgehungsgeschäft“. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wie auch die Bundesnetzagentur stufen das Unternehmen daher als Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes ein – also wie jeden anderen Stromanbieter auch. Damit sind auch die Stromlieferungen ganz normal umlagepflichtig. Allerdings ist auch dieses Urteil noch nicht rechtskräftig, weil das Unternehmen gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt hat.
Undurchschaubarer Firmenkonstrukt
Erschwert werden die Prozesse dadurch, dass das Firmenkonstrukt für Außenstehende undurchschaubar ist. Auch einer der Übertragungsnetzbetreiber verklagte in der Vergangenheit schon das falsche Unternehmen der Firmengruppe. Branchenkenner sprechen von einem Katz-und-Maus-Spiel, dem alle Leidtragenden möglichst bald ein Ende bereiten wollen.
Auch über die vielen derzeit laufenden Gerichtsprozesse hinaus haben die Anwälte der Firma offenbar gut zu tun. Kritiker, die das Unternehmen als insolvenzgefährdet darstellten, wurden bereits abgemahnt. Die Internetseite Investigoo, die noch Mitte Februar vor einer „Riesenpleite“ warnte, wurde zwischenzeitlich aus dem Netz genommen, während sich auf der Beschwerdeseite ReclaBox die Klagen von Kunden häufen, etwa wegen längst überfälliger Rückzahlungen von Guthaben.
Selbst gegen eine interne Mailingliste der Grünen, auf der die Probleme von Care-Energy thematisiert wurden, ging das Unternehmen vor und verlangte eine Unterlassungserklärung. Dafür hat der Sprecher der betroffenen Grünen-Arbeitsgruppe Energie, Georg Kössler, kein Verständnis. „Wenn schon der interne Meinungsaustausch einer Partei unterbunden werden soll, scheint bei Care-Energy ja ganz schöne Panik zu herrschen“, sagte er der taz.
Was mit der Firmengruppe geschieht, wenn die EEG-Pflicht irgendwann letztinstanzlich festgestellt wird und mehr als 80 Millionen Euro fällig werden, dazu äußerte sich Care-Energy auf Anfrage nicht; zu Spekulationen gebe man keine Auskunft, sagte ein Sprecher nur.
Keine Luft für EEG-Umlage
Sicher jedenfalls ist, dass in dem Preis von 19,90 Cent pro Kilowattstunde, zu dem Care-Energy seinen Strom aktuell anbietet, keine Luft für die EEG-Umlage in Höhe von derzeit 6,35 Cent bleibt. Denn abzüglich der Mehrwertsteuer erzielt die Firma pro Kilowattstunde nur Nettoeinnahmen in Höhe von 16,72 Cent, wovon nach Abzug von Netzentgelten, Stromsteuer, Konzessionsabgabe und weiteren kleinen Umlagebeträgen gerade noch 5,8 Cent übrig sind. Davon muss das Unternehmen noch den Stromeinkauf bezahlen und die Vertriebskosten decken – die EEG-Umlage ist damit nicht mehr finanzierbar.
Ob somit auf die Stromkunden eine Nachforderung zukommen kann? Es sei „denkbar“, dass die Firma „im Falle einer Inanspruchnahme“ versuchen werde, die EEG-Umlage nachträglich auf ihre Kunden abzuwälzen, warnt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“